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Ein schöner Urlaub ist oft ein angestrebter Lohn nach harter Arbeit – fast jeder fünfte Deutsche kann sich jedoch diesen Lohn nicht leisten.1) Für diejenigen, die im Niedriglohnsektor arbeiten und sich mit mehreren Minijobs über Wasser halten, ist selbst die Erholung durch einen Urlaub zuhause gar in unerreichbarer Ferne:
Hätte ich doch Flügel wie eine Taube, dann flöge ich davon und käme zur Ruhe.
In Psalm 55 geht es nicht um einen Urlaubswunsch, sondern dieser Text thematisiert die Bedrängnis des Beters durch seine Feinde. Er wünscht sich in einen Gegenraum fliehen zu können, wo er Ruhe vor den Anfeindungen finden kann. Er will wie eine Felsentaube sein, die ihr Versteck in Felsenklüften hat, wo sie für die Verfolger unerreichbar ist. Urlaub ist ein solcher Gegenraum, zeitlich und räumlich getrennt vom Alltag sucht man Erholung.
Arbeit und Urlaub, Tod und Leben
Gesetzlich stehen einem Arbeitnehmer in Deutschland 24 Werktage als Erholungsurlaub zu.2) Für die alttestamentliche Zeit hingegen zeigt das Buch Jesus Sirach, dass Arbeiten und Nicht-Arbeiten sich gegenüberstehen wie Leben und Tod, abgesehen vom Schabbat, dem religiösen Ruhetag, gab es Ruhe und Erholung nur für die Besserverdienenden:
Ein Armer hat sich geplagt in der Dürftigkeit des Lebens, beim Ausruhen kommt er in Not.
Im Angesicht andauernder Existenznöte kann notwendiges Ausruhen lebensgefährlich sein. Dabei sind Ruhe und Erholung zumindest aus biblischer Sicht in die Schöpfung eingeschrieben.
Geschöpfte Ruhe
Gemäß dem Buch Genesis erschuf Gott die Welt in sieben Tagen. Sechs Tage arbeitete er an der Schöpfung und am siebten Tag ruhte er:
Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er gemacht hatte, und er ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk gemacht hatte.
Die Vollendung der Schöpfung ist kein weiteres neues Werk, sondern die Schöpfung wird durch die Ruhe am siebten Tag vollendet. Weil der siebte Tag ein unproduktiver Tag ist, ist er die Vollendung der Schöpfung. Ruhe ist nicht das Gegenteil von Arbeit, sondern die Ruhe ist die Vollendung der Arbeit – sie ist das Ziel, auf das alle Schöpfungswerke zulaufen. In der Septuaginta, der griechischen Übersetzung, wurde die Bedeutung von Ruhe als Krone der Schöpfung wieder abgemindert:
Und Gott vollendete am sechsten Tag seine Werke, die er gemacht hatte, und er ruhte am siebten Tag von all seinen Werken, die er gemacht hatte, aus.
Während der hebräische Text von einer Vollendung der Schöpfung durch Ruhe spricht, ereignet sich in der griechischen Übersetzung die Ruhe erst nach der Vollendung. Der griechische Text scheint eher in die modernen Zeiten zu passen: „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!“. Der hebräische Text lehrt, dass die Arbeit ihren Wert erst in der Ruhe entfaltet.
Recht des Geschöpfes
Jeder arbeitenden Person steht Erholungsurlaub zu, jedem Menschen – auch wenn er im Niedriglohnsektor arbeitet und sich mit drei Minijobs gerade mal so über Wasser halten kann – steht Ruhe und Erholung zu. Erholung in einem Urlaubsparadies ist kein Menschenrecht, aber Ruhe und Erholung sind nicht nur das Gegenteil von Arbeit. Durch sie vollendet sich erst das Werk des Menschen – in diesem Sinn sind Ruhe und Erholung ein Recht der Geschöpfe Gottes.
Bildnachweis
Titelbild: sonnenuntergang hängematte entspannung bali asien, von ZPhotoo. Lizenz: CC0 1.0 Universal.
Einzelnachweis
1. | ↑ | „Fast jeder Fünfte kann sich keine Urlaubsreise leisten“, Spiegel Online, 04.07.2017 [Stand: 14. Juli 2017]. |
2. | ↑ | §3 Bundesurlaubsgesetz |
Man könnte sogar noch einen Schritt weiter gehen: In der Ruhe des siebten Tages vollendet sich die Schöpfung…sie ist darauf hin gemacht…
Der Midrasch, die rabbinischen Kommentierung des Alten Testaments, verweist darauf, dass es sehr wohl am siebten Tag noch ein Schöpfungswerk gab: “Was wurde am siebten Tag erschaffen? Gelassenheit, Heiterkeit, Frieden und Ruhe.” Ja, die Vollendung der Schöpfung ist nicht nur einfach ein weiteres neues Werk, sondern die Schöpfung wird durch die Ruhe am siebten Tag vollendet – und diese Vollendung des gesamten Schöpfungswerkes führt zur Segnung und Heiligung des siebten Tages. Alle Schöpfungswerke sind somit auf diese Heiligung der Zeit hin ausgerichtet. Die siebentage Woche gipfelt in der Ruhe, die nach dem alttestamentlichen Gesetz eine allumfassende Ruhe sein soll, die jedem – auch Fremden und selbst Tieren – zugutekommen soll (siehe auch Exodus 23,12): “Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, dein Rind, dein Esel und dein ganzes Vieh und der Fremde, der in deinen Stadtbereichen Wohnrecht hat.” (Deuteronomium 5,14, siehe auch Exodus 20,10). Der siebte Tag ist aufgrund der Ruhe heilig und das halten der Ruhe ist Gottesdienst!