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Der Tod tanzt durch alle Lebensabschnitte und zehrt am Weg der Menschen – von der Geburt bis zur Bahre ist er ein treuer Begleiter. Im Angesicht des Todes leben wir und können uns selbst im Sterben gewiss sein, dass dort noch Leben bis zum letzten Atemzug ist. Es gibt ein „Leben im Sterben“ -– wie das diesjährige Motto der Woche für das Leben vom 25. April bis zum 2. Mai betont. Doch de facto gibt es vielerorts in unserer Gesellschaft eine dem Leben entgegenstehende Vereinsamung der Sterbenden.
Entfernt hast du von mir Freunde und Nachbarn, mein Vertrauter ist nur noch die Finsternis.
So endet schon Psalm 88 im Todesschatten mit düsteren Worten. Angeklagt wird hier nicht der Tod, sondern Gott, der „Gott meiner Rettung“, wie der Beter ihn noch zu Anfang des Psalms anredet. Er, der den Tod nicht verhindert, wird verantwortlich gemacht – auch für die mit dem Sterben einhergehende Vereinsamung. Die Hoffnung schwindet. Die Sterbensangst lehrt zwar das Beten, doch auch angezündete Kerzen enden in Finsternis.
Blick doch her, gib mir Antwort, HERR, mein Gott, erleuchte meine Augen, damit ich nicht im Tod entschlafe.
Solch hoffnungsvolle Bitten können bis zum letzten Atemzug resonieren. Auch sie enden in der Finsternis des Todes. Muss für Christen im Sterben nicht das große Halleluja erklingen?
In deine Hand lege ich voll Vertrauen meinen Geist; du hast mich erlöst, HERR, du Gott der Treue.
Verzweiflung, Einsamkeit, Angst, Glaube – im Tod vereinigt sich alles und jedes Gefühl hat seinen letzten Ort. In ihnen ereignet sich Leben und sie bedürfen einen Raum, in dem sie geteilt werden können. Dort bedarf es nicht Vereinsamung, sondern Begegnung, die in christlicher Gewissheit grundgelegt ist:
Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn.
Dieser Glaube ist keine Predigt, sondern ein Handlungsprinzip. Der oder die Sterbende gehört Gott, ist in seinen Händen – und in ihnen begegnen wir dem Gott des Lebens in der Finsternis. Das, was Gott gehört, ist per definitionem „heilig“. Leben im Sterben zu ermöglichen ist ein Dienst am Heiligen. Mit Blick auf die Woche des Lebens rufen Reinhard Kardinal Marx und Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm im Namen der beiden ausrichtenden Organisationen dazu auf, die Palliativ- und Hospizversorgung stärker zu fördern: „Wenn keine Aussicht auf medizinischen Heilungserfolg mehr besteht, gibt sie die Patienten nicht auf, sondern nimmt sie umfassend in ihren physischen, psychischen, sozialen und spirituellen Bedürfnissen wahr.”1) Christliche Nächstenliebe endet nicht im Sterben.
Bildnachweis
Titelbild: Die schwer erkrankte Valentine Godé-Darel, ein halbes Jahr vor ihrem Tod. Gemälde von Ferdinand Hodler, Juni 1914. Lizenz: gemeinfrei.
Einzelnachweis
1. | ↑ | “Marx und Bedford-Strohm fordern bedarfsgerechte Palliativversorgung“, katholisch.de, 7.2.2020. |