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Die Theologie entdeckt die Fleischeslust. Zumindest scheint das für die neueren Erkenntnisse der dogmatischen Reflexionen über die Menschwerdung Gottes zu gelten – oder sollte man jetzt nicht besser von der „Mannwerdung“ Gottes in Jesus sprechen? Das hat jedenfalls den Anschein, wenn etwa der ehemalige Bonner Dogmatiker Karl-Heinz Menke darüber räsonierte,
„dass der Logos als Mann Mensch geworden ist“1).
Dass es sich bei diesem Gedanken um keine singuläre Ansicht handelt, wird in einem Standpunkt deutlich, den Eckhard Nordhofen bei katholisch.de veröffentlicht hat. Allein die Überschrift „Jesus war nun mal ein Mann!“2) bemüht die normative Kraft des Faktischen. Das allein wäre nicht bedenklich, wenn daraus nicht Folgerungen der unhinterfragbaren und damit unreflektierbaren Art gezogen würden:
„Hat schon mancher gefragt, warum sich das große, die Zeiten wendende Ereignis der Inkarnation so lächerlich zufällig und kontingent anfühlt? Warum hatte es ausgerechnet in der Levante stattfinden müssen? Warum musste es gerade ein Mann, ein galiläischer Wanderprediger, ein beschnittener Jude sein? Wäre ein griechischer Philosoph nicht besser gewesen? Warum hat sich nicht überhaupt alles in Griechenland, der damaligen Leitkultur abgespielt? Wir wissen die Antwort. Sie lautet: Es war so und nicht anders! Warum, das wissen wir nicht! Wer es besser zu wissen meint, ist ein Usurpator, der sich anmaßt, was ihm nicht zusteht.“3)
Deus lo vult!
So, so, wer das anzweifelt, ist also ein Usurpator – oder auch eine Usurpatorin, die sich des Glaubensgeheimnisses bemächtigen möchte. Selig, wer glaubt, ohne zu denken – alle Aporien werden so in das Geheimnis des undurchdringlichen Mysteriums aufgelöst. Man muss nur feste daran glauben! Noch fester! Gott will es so – Deus lo vult! So lassen sich sogar Kreuzzüge rechtfertigen …
Die dogmatische Schraube lässt sich aber noch weiter drehen. Die normative Kraft der zweifellosen Männlichkeit des Jesus von Nazareth genügt alleine nicht, wenn durch sie weitreichende theologische Konsequenzen grundiert werden müssen, die den allgegenwärtigen Forderungen nach einer Weiterentwicklung der Theologie etwa des Amtes entgegengestellt werden sollen. Wenn das Amt eine durch die Weihe bewirkte ontologische Superiorität bewirkt, vor deren Überforderungen und Zumutungen man Frauen natürlich schützen muss, dann darf die Männlichkeit des Messias eben kein genetischer Zufall sein, sondern ist vom Höchsten selbst ontologisch manifestiert. Und so wundert es nicht, wenn Freiburger Dogmatiker Helmut Hoping in einem ebenso frommen wie bemerkenswert schlichten Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung ausführt:
„Der Johannesprolog, der am Weihnachtstag als Evangelium vorgetragen wird, ist der Zentraltext für den theologischen Gedanken der Inkarnation: ‚Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Und das Wort ist Fleisch (griechisch: sarx) geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit‘ (Joh 1,1f.14). ‚Fleisch‘ meint bei Johannes den sterblichen Menschen, im Prolog des Evangelisten markiert ‚Fleisch‘ den Juden Jesus, Gottes Sohn und Messias.“4)
Nun regt sich bei Exegetinnen und Exegeten an sich schon eine grundlegende Skepsis, wenn systematische Theologinnen und Theologen vorgeben zu wissen, was biblische Autoren im Allgemeinen und neutestamentliche Evangelisten im Besonderen vermeintlich „meinen“. Warum sollten sie es dann nicht deutlich gesagt haben, was sie meinen? Wahrscheinlich, weil sie möglicherweise doch nicht meinen, was 2000 Jahre später findige Vertreter einer spekulativen Theologie wollen, dass gemeint worden sei. Das ist nicht nur ein klassischer Fall einer Eisegese, die Texte nicht von sich selber her auslegt, sondern in Texte etwas hineinliest, was diese gefälligst auszusagen haben. Damit einher geht in der Regel auch eine steinbruchartige Textarbeit, die Worte wie Sätze ihres Kontextes enthebt. In diesem bibeltheologischen Baukasten lassen sich die wunderbarsten systematischen Konstrukte errichten – und schwupps hat man ein schönes, stimmiges Gedankengebäude. Natürlich! Wie konnten das all die Vertreterinnen und Verfechter einer feministischen Theologie übersehen: Dieser Jesus war ein Mann! Beweis: Er hatte ein Präputium, eine Vorhaut, die er – oder besser seine Eltern – dem jüdischen Gesetz zufolge am achten Tag nach seiner Geburt im Tempel als Erstlingsgabe und Bundeszeichen Gott darbrachten:
Als sich für sie die Tage der vom Gesetz des Mose vorgeschriebenen Reinigung erfüllt hatten, brachten sie das Kind nach Jerusalem hinauf, um es dem Herrn darzustellen, wie im Gesetz des Herrn geschrieben ist: Jede männliche Erstgeburt soll dem Herrn heilig genannt werden. Auch wollten sie ihr Opfer darbringen, wie es das Gesetz des Herrn vorschreibt: ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben.
Geistverkümmerte Fleischeslust
Von hierher wird klar, warum Helmut Hoping weiß, was Johannes meint, wenn er von der Fleischwerdung des Wortes spricht:
Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.
In der Tat ist die johanneische Wortwahl drastisch. Sie begegnet auch im nicaeno-constantinopolitaneischen Glaubensbekenntnis, in dem die Christenheit mit der Erklärung der 318 Konzilsväter von Nicäa (325 n.d.Z.) von Jesus Christus bekennt:
„Für uns Menschen und zu unserm Heil ist er vom Himmel gekommen,
hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist
von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden.“
Hoppla! Da stolpert der Exeget: Jesus Christus ist Mensch geworden – und eben nicht bloß Mann? Ist das Glaubensbekenntnis hier möglicherweise nicht korrekt formuliert? Oder handelt es sich um eine möglicherweise um eine Falschübersetzung? Ein Blick in den griechischen Originaltext des Konzils von Nicaea beseitigt alle Zweifel. Da steht tatsächlich:
Τὸν δι᾽ ἡμᾶς τοὺς ἀνθρώπους (…) σαρκωθέντα (gesprochen: tòn di‘ hemâs toùs anthrópous (…) sarkothenta) – der für uns Menschen fleischlich Gewordene5)
Sollten sich die 318 Väter von Nicaea so geirrt haben? Wohl kaum – denn mit diesem Glaubensartikel nehmen sie zuerst die johanneische Rede von der Fleischwerdung des Wortes auf, um den Doketismus in die Schranken zu weisen, eine seinerzeit durchaus verbreitete Irrlehre, die Christus lediglich einen Scheinleib zuschrieb und folglich auch dessen Kreuzestod leugnete. Das liegt durchaus auf der Linie der johanneischen Theologie, die bei aller durchgeistigten Reflexion des Christusereignisses gerade nicht der Versuchung eines leib-geistlichen Dualismus erliegt. Deshalb kommt Gott in Jesus nicht irgendwie zur Welt, sondern er nimmt materiale, eben sarkische Gestalt an. Darauf deutet das Wort σάρξ (gesprochen: sárx) in Johannes 1,14 hin: Jesus Christus ist wahrhaft ein fleischlicher Mensch geworden, nicht bloß eine irgendwie geartete geistige Emanation. Das ist dann aber auch schon alles und gleichzeitig bedeutet das alles! Johannes ist weder daran interessiert, welche Schuhgröße der Herr hatte, welche Haar- und Augenfarbe er sein eigen nannte noch dessen Geschlechtlichkeit, die als solches unzweifelhaft, für den Vorgang der Fleischwerdung aber eben bedeutungslos war.
Der Skandal der Fleischwerdung
Der Skandal ist in der Fleischwerdung an sich gegeben – und darauf spielt Johannes an späterer Stelle ausführlicher an:
Amen, amen, ich sage euch: Wer glaubt, hat das ewige Leben. Ich bin das Brot des Lebens. Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben. So aber ist es mit dem Brot, das vom Himmel herabkommt: Wenn jemand davon isst, wird er nicht sterben. Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt. Da stritten sich die Juden und sagten: Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben? Jesus sagte zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tag. Denn mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise und mein Blut ist wahrhaft ein Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm. Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und wie ich durch den Vater lebe, so wird jeder, der mich isst, durch mich leben. Dies ist das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Es ist nicht wie das Brot, das die Väter gegessen haben, sie sind gestorben. Wer aber dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit. Diese Worte sprach Jesus, als er in der Synagoge von Kafarnaum lehrte.
Wenn überhaupt, dann wird hier deutlich, was Johannes „meint“, wenn der davon spricht, dass das Wort Fleisch (σάρξ – sárx) wird. In diesem Abschnitt kommt das Wort σάρξ alleine sechsmal vor – und wird durch die Konnotation des Blutes (αἷμα – gesprochen: haîma) noch in seiner irdischen Materialität und Realität verstärkt. Dieser Jesus von Nazareth ist als fleischgewordenes Wort eine geschichtliche Realität geworden. Das Wort Gottes ist nicht einfach nur aufgeschrieben – es ist Fleisch und Blut geworden und soll immer neu in Fleisch und Blut übergehen. Das ist – näher betrachtet – eine skandalöse Zumutung, weil es denen, die ihm nachfolgen, jede Entschuldigung nimmt: Man kann das Wort Gottes eben nicht nur mit den Lippen bekennen, man muss es leibhaftig, mit Herz und Hand leben. Das ist eine geistvolle Fleischlust, die das Leben in Fülle (vgl. Johannes 10,10) feiert und Gott Raum gibt, sich selbst entgrenzt und die Menschen ermächtigt. Noch schlimmer freilich dürfte es für die Verfechter der substantiellen Männlichkeit Jesu freilich sein, dass Johannes hier nicht vom „Fleisch des Sohnes“, sondern von dem „Fleisch des Menschensohnes“ (ἡ σάρξ τοῦ υἱοῦ τοῦ ἀνθρώπου – gesprochen: he sárx toû hyioû toû anthrópou) spricht. Bei der Wendung τοῦ υἱοῦ τοῦ ἀνθρώπου (gesprochen toû hyioû toû anthrópou) handelt es sich bei dem Genitiv ἀνθρώπου (gesprochen: anthrópou) um einen Genitivus qualitatis, der die Beschaffenheit des zugehörigen Substantivs determiniert6). Offenkundig liegt die eigentliche Substanz auf dem Menschsein, das Sohn- und damit das Mannsein ist für Johannes jedenfalls wohl eher akzidentell, mithin also wohl gerade nicht ontologisch bedeutsam!
Mensch, Jesus!
Dieser Linie folgt offenkundig schon Paulus, der in Jesus nicht bloß – wie weiland der Großamateur populistischer Theologie Franz Alt behauptet – einen „neuen Mann“7), sondern einen „neuen Menschen“ erkannte:
Wie durch einen einzigen Menschen die Sünde in die Welt kam und durch die Sünde der Tod und auf diese Weise der Tod zu allen Menschen gelangte, weil alle sündigten – Sünde war nämlich schon vor dem Gesetz in der Welt, aber Sünde wird nicht angerechnet, wo es kein Gesetz gibt; dennoch herrschte der Tod von Adam bis Mose auch über die, welche nicht durch Übertreten eines Gebots gesündigt hatten wie Adam, der ein Urbild des Kommenden ist. Doch anders als mit der Übertretung verhält es sich mit der Gnade; sind durch die Übertretung des einen die vielen dem Tod anheimgefallen, so ist erst recht die Gnade Gottes und die Gabe, die durch die Gnadentat des einen Menschen Jesus Christus bewirkt worden ist, den vielen reichlich zuteilgeworden.
Die Erlösung durch den Kreuzestod des Mannes Jesus bliebe offenkundig solange unvollständig, bis in diesem Tod der Kreuzestod des Menschen Jesus erkannt wird. Paulus formuliert unzweifelhaft von der δωρεὰ ἐν χάριτι τῇ τοῦ ἑνὸς ἀνθρώπου Ἰησοῦ Χριστοῦ (gesprochen: doreà en cháriti tê henòs anthrópou Iesoû Christoû), der Gnadentat des einen Menschen Jesus Christus, wobei die Betonung „des einen“ (ἑνός – henós) die Bedeutung des Menschseins Jesu Christi sogar noch hervorhebt: Im Menschen Jesus Christus geschieht Einzigartiges.
Wie wichtig es hier ist, vom Menschen und eben nicht vom Mann Jesus Christus her zu denken, wird in der Schlussfolgerung deutlich, die Paulus aus der Gegenüberstellung des Adam als erstem Menschen und Jesus Christus als neuem Menschen, zieht:
Wie es also durch die Übertretung eines Einzigen für alle Menschen zur Verurteilung kam, so kommt es auch durch die gerechte Tat eines Einzigen für alle Menschen zur Gerechtsprechung, die Leben schenkt. Denn wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen zu Sündern gemacht worden sind, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechten gemacht werden.
Der Mann Jesus hätte eben nur die Hälfte der Menschheit erlöst. Das Erlösungswerk des Menschen Jesus hingegen gilt allen! Man darf auch hier die Substanz, das Wesentliche, nicht mit dem Akzidenz, dem kontingent Hinzugekommenen, verwechseln.
Theologische Kartenhäuser
Nun rühmt sich die Dogmatik bisweilen, die Königin der Theologie zu sein. Aber auch in den hehren Sphären theologischer Spekulationen muss sie auf das Fundament achten, auf dem sie baut. Sonst baut sie eben nicht mit Gold, Silber und Edelsteinen, sondern mit Holz, Heu und Stroh, wie weiland schon Paulus mahnt:
Wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld, Gottes Bau. Der Gnade Gottes entsprechend, die mir geschenkt wurde, habe ich wie ein weiser Baumeister den Grund gelegt; ein anderer baut darauf weiter. Aber jeder soll darauf achten, wie er weiterbaut. Denn einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus. Ob aber jemand auf dem Grund mit Gold, Silber, kostbaren Steinen, mit Holz, Heu oder Stroh weiterbaut: Das Werk eines jeden wird offenbar werden; denn der Tag wird es sichtbar machen, weil er sich mit Feuer offenbart. Und wie das Werk eines jeden beschaffen ist, wird das Feuer prüfen. Hält das Werk stand, das er aufgebaut hat, so empfängt er Lohn. Brennt es nieder, dann muss er den Verlust tragen. Er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durch Feuer hindurch.
Der Grund, der gelegt ist, das ist Jesus Christus, das fleischgewordene Wort, der inkarnierte Logos. Hier aber weitet Paulus selbst den Blick, wenn er feststellt:
Einer ist für alle gestorben, also sind alle gestorben. Er ist aber für alle gestorben, damit die Lebenden nicht mehr für sich leben, sondern für den, der für sie starb und auferweckt wurde. Also kennen wir von jetzt an niemanden mehr dem Fleische nach; auch wenn wir früher Christus dem Fleische nach gekannt haben, jetzt kennen wir ihn nicht mehr so.
Es ist in der neutestamentlichen Exegese viel über darüber gerätselt worden, ob sich hinter der Kenntnis des Christus κατὰ σάρκα (gesprochen: katà sárka), als der Kenntnis dem Fleisch nach eine persönliche Bekanntschaft des Paulus mit dem irdischen Jesus verbirgt. Diese Annahme dürfte allein schon daran scheitern, dass Paulus eine solche Kenntnis mit Sicherheit argumentativ angeführt hätte, um seinen nicht unumstrittenen apostolische Anspruch zu untermauern. Hier geht es um anderes. Hier geht es um die Erkenntnis, die alles Fleischliche übersteigt. Das Fleischliche ist nicht unwichtig – ganz im Gegenteil. Es ist die Voraussetzung für die Erlösung. Wenn das Vergängliche nicht stirbt, kann aus ihm nicht das Unvergängliche werden. So aber gilt:
Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung: Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.
Das Fleischliche ist die Voraussetzung für das Bekenntnis, das in denen, die Jesus Christus als dem vom Kreuzestod Auferstandenen, immer neu Gestalt annehmen soll:
Denn wir wissen, dass der, welcher Jesus, den Herrn, auferweckt hat, auch uns mit Jesus auferwecken und uns zusammen mit euch vor sich stellen wird. Alles tun wir euretwegen, damit immer mehr Menschen aufgrund der überreich gewordenen Gnade den Dank vervielfachen zur Verherrlichung Gottes. Darum werden wir nicht müde; wenn auch unser äußerer Mensch aufgerieben wird, der innere wird Tag für Tag erneuert.
Auch hier geht es um den Menschen an sich und nicht um die Frage, welchen Geschlechtes ein Mensch ist.
Zielverwirrung
Das Ziel ist die Vervielfachung des Dankes an Gott. Wenn dieses Ziel durch die Betonung des Mannseins Jesu erreicht würde, dann könnte man den dogmatischen Spekulanten folgen. Allerdings steht zu fürchten, dass ihr Ziel anders orientiert ist. Es geht wohl um die Abweisung von Bestrebungen und Reflexionen, die die Öffnung kirchliche Ämter für Frauen betreffen. Da soll wohl eine ontologische Basis gelegt werden, die aber eher einer Wanderdüne gleicht. Wer darauf baut, baut mit Stroh – und vervielfacht die Verherrlichung Gottes gerade nicht, sondern lenkt davon ab. Man möchte den Herren – und es sind meist Herren, die so argumentieren – ihre Beiträge noch einmal zur biblischen Relecture zurückgeben. Denn eines ist sicher: Papier und Tinte waren in den Zeiten, in denen die Schriften des Neuen Testamentes entstanden, so teuer, dass man sehr gut überlegen musste, was man schreibt. Etwas nur zu meinen, war schlicht unerschwinglich. Das Weiße zwischen den Zeilen mag wichtig sein, das Schwarze aber ist das Gesagte. Und warum sollten Johannes und Paulus nicht meinen, was sie sagen? Paulus jedenfalls ist hier unzweifelhaft:
Denn wir schreiben euch nichts anderes, als was ihr lest und kennt.
Auch Johannes insistiert:
Noch viele andere Zeichen hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan, die in diesem Buch nicht aufgeschrieben sind. Diese aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben Leben habt in seinem Namen.
Es ist der Glaube, der im Bekenntnis des Thomas kulminiert:
Mein Herr und mein Gott!
Deshalb bekennen Christen, dass Jesus Christus wahrer Mensch und wahrer Gott ist. Darauf lässt sich bauen. Das Mannsein Jesu erscheint da nur als halbe Wahrheit …
Bildnachweis
Titelbild: Mensch (Wikilmages) – Quelle: Pixabay – lizenziert mit Pixabay License.
Bild 1: Hl. Kümmernis im Diözesanmuseum Graz-Seckau, Graz, Österreich (Gugganij) – Wikicommons – lizenziert als CC BY-SA 3.0.
Einzelnachweis
1. | ↑ | So in einem Domradio-Interview vom 11.9.2019 – Quelle: https://www.domradio.de/themen/rainer-maria-kardinal-woelki/2019-09-11/kirche-kann-nie-demokratie-werden-theologe-menke-sieht-keinen-spielraum-beim-frauenpriestertum [Stand: 6. Dezember 2020]. |
2. | ↑ | Eckhard Nordhofen, Jesus war nun mal ein Mann!, katholisch.de, 2.12.2020 – Quelle: https://www.katholisch.de/artikel/27804-zufall-oder-nicht-jesus-war-nun-mal-ein-mann [Stand: 6. Dezember 2020]. |
3. | ↑ | Eckhard Nordhofen, Jesus war nun mal ein Mann!, katholisch.de, 2.12.2020 – Quelle: https://www.katholisch.de/artikel/27804-zufall-oder-nicht-jesus-war-nun-mal-ein-mann [Stand: 6. Dezember 2020]. |
4. | ↑ | Helmut Hoping, Ein Kind ist uns geboren, eine Person ist uns geschenkt. Genderdebatte über Jesus, FAZ online, 29.11.2020 – Quelle: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/genderdebatte-ueber-jesus-17074023.html?premium. |
5. | ↑ | Originaltext zitiert nach Josef Wohlmuth (Hrsg.), Dekrete der ökumenischen Konzilien, Konzilien des ersten Jahrtausends, Band 1, Paderborn 1998. |
6. | ↑ | Vgl. hierzu auch Friedrich Blass/Albert Debrunner, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch (bearbeitet von Friedrich Rehkopf), Göttingen 1990, § 165. |
7. | ↑ | Siehe hierzu allein den Titel des Buches von Franz Alt, Jesus – der erste neue Mann, München 1989. |
Ich kann Ihren Ausführungen gut folgen und teile sie.
Allerdings halte ich das Mannsein Christi gerade für unsere heutige Zeit aus Gründen des Glaubens an die Göttlichkeit des Herrn nicht für unbedeutend sondern im Gegenteil für durchaus wichtig:
Seine geradezu wunderbare Zeugung – nicht Schaffung – durch “Überschattung” der Jungfrau Maria mit dem Heiligen Geist, also der dritten Person Gottes, könnte man mit unseren heutigen Kenntnissen, wäre der menschgewordene Gott weiblich geboren worden, möglicherweise irrtümlich als einen (von Gott geschaffenen) Klon Mariens zu erklären versuchen.
Bei dem eben männlich geborenen Gottmenschen Jesus Christus fällt allein durch sein männliches Geschlecht auch selbst heute eine solche falsche Erklärung seiner Herkunft und Natur weg.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass das so ist und mein christlicher Glaube diesbezüglich nicht angefochten wird.