Kapitel
Disput

Hoffnungslehre

„Glauben“ bedeutet, mit dem Blick auf Gott gerichtet auf Gnade und Erbarmen zu hoffen (siehe meinen Text “Glaubenslehre“). Oder wie es der kroatische Theologe Peter Kuznic ausgedrückt hat: „Hoffnung ist die Fähigkeit, die Musik der Zukunft zu hören; Glaube ist der Mut, in der Gegenwart danach zu tanzen.“ Bei den Gläubigen, die in den heutigen Zeiten noch an der Katholischen Kirche festhalten, stellt sich die Frage, ob es noch Hoffnung gibt. Von einem Skandal zur nächsten Krise hetzend, wundert man sich, ob die Katholische Kirche in Deutschland noch eine Zukunft hat. Gewiss, die Kirchengeschichte kennt dieses Kommen und Gehen von Skandalen und Krisen – und am Ende überstanden die Kirchentürme noch immer die schlimmsten Stürme. Doch wo zeigt sich Hoffnung? Wo bricht die Musik der Zukunft, die göttlichen Verheißungen in den tristen Alltag hinein?

Augen auf!

Hoffnung beschreibt ein menschliches Verhalten und zugleich das auf den Menschen Zukommende, dem sich der Mensch sozusagen entgegenwirft. Das Alte Testament kennt keine blinde Hoffnung, sondern nur eine sehende. Dies wird deutlich, wenn man zwei hebräische Verben näher betrachtet, die gemeinhin mit „hoffen“ übersetzte werden.

(1.) Die Grundbedeutung des hebräischen Verbs שָׂבַר (gesprochen: savar) ist „prüfen“. So wird es zum Beispiel verwendet um im Buch Nehemia zu berichten, dass der vom persischen König nach Jerusalem gesandte Nehemia den Zustand der in Trümmer liegenden Stadtmauer zu überprüfen (Nehemia 2,13). Er besichtigte die Ruinen, aus denen wieder eine Stadtmauer werden sollte. An dieser Stelle liegt im prüfenden Blick noch keine Hoffnung, aber das Verb wird an anderen Stellen einer anderen grammatikalischen Form benutzt, um ein hoffendes Ausschauen auszudrücken:

Aller Augen warten auf dich [,JHWH,] und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit. Psalm 145,15

Hoffnung bedeutet kein passives Warten, sondern es ist der suchende Blick nach Rettung.

(2.) Die Grundbedeutung des hebräischen Verbs צָפָה (gesprochen: tzafa) ist „spähen / aufmerksam betrachten“. Mit diesem Wortstamm wird der Prophet Ezechiel von Gott als Späher und Wächter über das Haus Israel eingesetzt (Ezechiel 33,7). Ein Späher sieht die Gefahr schon von Weitem kommen. Er sieht in die Ferne und zugleich bewacht er diejenigen, die in seiner Obhut sind. Wenn in der Zeit des Alten Testaments der Späher auf der Stadtmauer sich einfach abwandte und sich aus der Verantwortung stahl, überließ er diejenigen, die er beschützen sollte, der Gefahr eines tödlichen Angriffes. Derselbe Wortstamm wird als Verb im Buch Micha verwendet, um die Hoffnung auf das Kommen Gottes und damit die Rettung auszudrücken:

Ich aber schaue aus nach dem HERRN, ich warte voll Vertrauen auf den Gott meiner Rettung. Mein Gott wird mich erhören. Micha 7,7

Den Grund der Hoffnung kann man nicht erzwingen, aber der Glaube auf Gott führt zu dem suchenden Blick.

Finden!

Wenn „Glauben“ bedeutet, mit dem Blick auf Gott gerichtet auf Gnade und Erbarmen zu hoffen, dann meint dies kein passives Abwarten hinter verschlossenen Türen. Sondern, um in der Krise Hoffnung zu finden, muss man die Augen öffnen und nach rechts und links, nah und fern blicken. Und wenn man auch nur einen Hoffnungsschimmer sieht, dann lohnt es sich, ihm entgegenzugehen.

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Bildnachweis

Titelbild: Hands, fotografiert von JürgenG, Lizenz: (CC BY-SA 3.0).

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