Als Christen und Christinnen sind wir auf dem Weg zwischen zwei Ankünften. Immer ist Advent – zurückblickend und vorausschauend singen wir Jubellieder. Gott ist Mensch geworden und wir erwarten Jesu Wiederkunft: Maranatha – „Unser Herr, kommt!“. Und auf diesem Weg fragen wir uns, wer Gott – „unser Vater“ – ist –, den wir als Ausgangs- und Zielpunkt unseres Lebens ansehen. Jährlich feiern wir in der Heiligen Nacht die alles entscheidende Niederkunft, die Geburt Jesu. Wir preisen Gott den Sohn, Gott den Vater und Maria die Gottesmutter.
Mit dem ersten Adventssonntag hat das Lesejahr B in der katholischen Kirche begonnen und am Anfang steht in der alttestamentlichen Lesung das Bekenntnis zu Gott als unserem Vater:
Du, HERR, bist unser Vater, Unser Erlöser von jeher ist dein Name.
Dass wir zu Gott dem Vater beten, wirkt so selbstverständlich – diese Anrede ist heute eine erstarrte Form. Als sie erstmals im Alten Testament verwendet wurde, war sie jedoch keine Selbstverständlichkeit. Sie barg im polytheistischen Alten Orient die Gefahr eines Missverständnisses im Sinne einer physischen Vaterschaft Gottes gegenüber den Menschen. Doch im Buche Jesaja wird einem solchen Missverständnis vorgebeugt – leider erklingt dies nur im Gottesdienst nicht, da der Beginn des Verses nicht verkündet wird.
Du bist doch unser Vater! Abraham weiß nichts von uns, Israel kennt uns nicht.
Gott ist in einer vollkommen anderen Art und Weise „Vater“ als die physischen, bedeutenden Vorfahren des Volkes Israel. Er erfüllt keine Geschlechterrolle, sondern ist – als Vater angesprochen – der Erlöser. Die Gläubigen verstehen sich als seine Söhne (siehe Jesaja 63,8). Im Buch Jesaja wird Gott die Anrede „Vater“ zugeschrieben – und in der auf diese Gebetsanrede folgenden Antwort Gottes wird sie direkt entgrenzt. Der Prophet redet im Namen des Volkes zu Gott als Vater und der väterliche Gott antwortet wie eine Mutter. Er tröstet sein Volk.
Wie einen Mann, den seine Mutter tröstet, so tröste ich euch; in Jerusalem findet ihr Trost.
Der im Gebet „männlich“ Angesprochene verweist auf seine „weiblichen“ Seiten. Wir sollten uns also nicht wundern, wenn wir Gott den Vater preisen und er uns als Mutter antwortet. Nicht nur im Advent erwarten und erhoffen wir die Ankunft und Durchsetzung dieser väterlichen und mütterlichen Liebe Gottes.
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