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Disput·Ecclesiastica

Gleich vor Gott, aber nicht in der Kirche? Biblische Interventionen zum bleibend „heißen Eisen“ der Rolle der Frau in der Kirche


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Phantasmen sind keine Visionen. Der von den Deutschen Bischöfen initiierte „synodale Weg“ jedenfalls ruft viele Phantasmen hervor. Die einen fordern einen wegweisenden Aufbruch, wie man ihn sich von der Amazonien-Synode erhofft, die vom 6.-26. Oktober 2019 im Vatikan tagen wird. In der Tat beinhaltet das Arbeitspapier zur Amazonien-Synode bemerkenswerte Perspektiven und Neuorientierungen, wenn mit Blick auf die Evangelisierung die Förderung von Berufungen von Männern und Frauen aus den ursprünglichen Völkern gefordert wird1). Die Verkündigung des Evangeliums kann immer nur gelingen, wenn das Wort Gottes in den historischen und sozialen Kontexten Gestalt annehmen kann, dabei aber eben diese historischen und sozialen Kontexte die ebenso unabdingbaren wie je anderen und sich verändernden Voraussetzungen darstellen. Vor der Verkündigung des Evangeliums, soll sie überhaupt erfolgversprechend sein, kommt deshalb immer die Wahrnehmung jener Welt, ihrer Sitten und Gebräuche, also jenes Nährbodens, in den hinein der Same des Wortes Gottes gepflanzt werden soll.
Unter diesem Aspekt sind dann auch zwei weitere Empfehlungen mit besonderer Aufmerksamkeit wahrzunehmen:

„In der Überzeugung, dass der Zölibat ein Geschenk für die Kirche ist, wird darum gebeten, im Blick auf die entlegensten Gebiete der Region die Möglichkeit zu prüfen, ältere Menschen zu Priestern zu weihen. Diese Menschen sollten vorzugsweise Indigene sein, die von ihrer Gemeinde respektiert und akzeptiert werden. Sie sollten geweiht werden, obwohl sie schon eine konstituierte und stabile Familie haben, mit dem Ziel, die Spendung der Sakramente zu sichern, die das Leben der Christen*innen begleiten und stützen.“2)

Außerdem müsste man

„im Wissen um die tragende Rolle, die Frauen heute in der Kirche Amazoniens wahrnehmen, (…) ein offizielles Dienstamt bestimmen, das Frauen anvertraut werden kann.“3)

Ein Aufbruch! – Aber nur in engen Grenzen?

Allein das Arbeitspapier zur Amazonien-Synode löst Hoffnungen auf entscheidende weltkirchliche Fortschritte aus – wobei oft geflissentlich übersehen wird, dass hier die Besonderheiten der indigenen Bevölkerung Lateinamerikas in den Blick genommen werden. Es wird also nicht die Aufhebung des Pflichtzölibates allgemein gefordert, sondern dessen Aussetzung unter den besonderen Rahmenbedingungen, der sich die Evangelisierung in Lateinamerika ausgesetzt sieht. Das ist weniger revolutionär, als es auf den ersten Blick erscheint: Kennt die römisch-katholische Kirche in den mit ihr unierten Kirchen im Nahen Osten doch jetzt schon Denominationen, in denen Priester selbstverständlich verheiratet sein können.

Auch die Forderung nach offiziellen Dienstämtern für Frauen kann vieles bedeuten. Von der geweihten Diakonisse, die sich exklusiv der Pflege der Armen und Kranken widmet und sich so den ihr von der Natur aus vorgesehen Dienstcharakter – das wird dann wieder die übliche Begründung sein … – mit episkopalem Segen, widmet bis zur vollwertigen Diakonin im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils ist da vieles möglich, wobei annähernd gleiche Begriffe dann eben noch nicht einmal Ähnliches bedeuten. Man darf auf jeden Fall gespannt sein, ob sich die hohen Erwartungen, die an die Amazonien-Synode gestellt werden, erfüllen. So oder so – die Ergebnisse werden sich in erster Linie auf die Grenzen Lateinamerikas beziehen. Der Aufbruch, wenn er sich denn ereignet, geschieht lokal …

Keine Synode, noch nicht einmal ein Synödchen, bloß ein Weg ...

In Deutschland hat sich die Bischofskonferenz nicht zu einem so fulminanten Format wie einer Synode durchringen können, sondern bloß zu einem synodalen Weg. Während die lateinamerikanischen Bischöfe sogar unter dem Vorsitz des Papstes konferieren, erscheint der synodale Weg eher als Kreislauf um den Kreis jener Stühle, deren Sitzflächen nach dem erst 2015 zu Ende gegangenen Gesprächsprozess der Deutschen Bischofkonferenz noch nicht erkaltet sind -und an dessen Ergebnisse sich schon kaum jemand erinnert. Der ewige Stuhlkreis fordert halt seinen Tribut.

Während man sich fragt, was denn ein synodaler Weg sein soll, wenn eine echte Synode, die als solches ja eine kirchenrechtlich verfasst Zusammenkunft von Relevanz ist, wohl nicht gewollt war, schießen gleichwohl phantasmatische Erwartungen wie albtraumhafte Befürchtungen ins Kraut. Von endlichem Aufbruch (der wievielte eigentlich?) bis zu Kirchenspaltungen reichen die Prognosen, je nachdem, welchem Lager man angehört. „Keep calm“ möchte man den einen wie den anderen zurufen. Ihr wollt doch nur reden – sonst hättet ihr ja eine Synode planen können. Aber auch die läuft nur allzu oft ins Leere, wie viele Beschlüsse der 1975 erfolgten Würzburger Synode zeigen, die bis heute ohne Folgen blieben. Auch wurde damals der Würzburger Synode vom Vatikan jedes Entscheidungsrecht in Fragen des Zölibates bzw. des Diakonates der Frau abgesprochen. Man war damals schon wenig überrascht.

Ja, aber, vielleicht, nein, doch, oh ...

Wenigstens das scheint bei der Amazonien-Synode jedenfalls in Nuancen anders zu sein: Diese Themen haben es doch ins Arbeitspapier geschafft. Auf diese Begrenztheit macht, offenkundig allzu große Hoffnungen bezüglich des synodalen Weges zügelnd, auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofkonferenz Reinhard Kardinal Marx mit dem Blick auf mögliche Auswirkungen auf die Situation in Deutschland aufmerksam, wobei er geflissentlich die Bedeutung, die das Arbeitspapier der Amazonien-Synode der indigenen Bevölkerung beimisst, umspielt:

„Warten wir doch ab. Ich bin ja selbst Mitglied der Amazonien-Synode. Wir sollten erst einmal in Deutschland unsere konkrete Situation diskutieren und nicht meinen, wir könnten über Amazonien unsere Probleme lösen. Ich kann mir allerdings durchaus vorstellen, dass man zu dem Ergebnis kommen kann, dass es sinnvoll ist, unter bestimmten Voraussetzungen in bestimmten Regionen verheiratete Priester zuzulassen. Das sagen jedenfalls auch Bischöfe aus Amazonien.“4)

Insofern er vermeidet, die analogen Voraussetzungen für Deutschland zu benennen, formuliert Kardinal Marx hier einen wunderbaren Double Bind, mit dem man alles und nicht sagt und sich immer wieder auf sichere rhetorische Gefilde zurückziehen kann. Ähnlich verhält er sich dann auch bei der Frage nach der Öffnung der Ämter für Frauen. Auf die Frage, was er einer jungen Frau, die sich zur Priesterin berufen fühlt (Kann es dieses Gefühl überhaupt geben, wo Jesus doch nur Männer zu Aposteln berufen hat? Ist Berufung überhaupt bloß ein Gefühl?), antwortet er:

„Die Argumentation ist tatsächlich heute schwieriger zu vermitteln. Ich kann nicht erkennen, wie wir heute theologisch beiseitelegen können, was Papst Johannes Paul II. 1994 endgültig festgelegt hat: ‚dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden‘. Das ist entschieden, auch wenn die Diskussion nicht zu Ende ist.“5)

Freilich ahnt Kardinal Marx, worin die wahre Rolle der Frau besteht. So antwortet er weiter:

„Wir sollten uns deshalb darauf konzentrieren, wie Frauen in der Kirche stärker mitwirken können. Es würde schon sehr viel ändern, wenn diese Männerwelt durch die Präsenz von Frauen während der Beratungen der Bischofskonferenz und Bischofssynoden aufgebrochen würde. Dass Nichtgeweihte dann auch mit abstimmen, lässt das Kirchenrecht wahrscheinlich nicht zu. Doch es ändert ja schon die Perspektive, wenn zuvor Frauen und Männer gemeinsam diskutiert haben. Hier sehe ich noch erheblichen Spielraum.“6)

Die wahre Rolle der Frau liegt also offenkundig in der Zähmung des Mannes – aber bitte nur ein wenig, denn das Kirchenrecht bewahrt die Männer davor, dass die Frauen sie beherrschen. Immerhin hat man hier das Wort Gottes im Hintergrund, das in der sogenannten „Erzählung vom Sündenfall“, die doch tatsächlich eher eine Erzählung von der Mündigwerdung des Menschen ist, die eigentliche Schuld des Adam unumwunden benennt:

Weil du auf die Stimme deiner Frau gehört und von dem Baum gegessen hast, von dem ich dir geboten hatte, davon nicht zu essen, ist der Erdboden deinetwegen verflucht. Unter Mühsal wirst du von ihm essen alle Tage deines Lebens. Genesis 3,17

Sein Brot unter Mühsal und harter Arbeit womöglich noch mit Händen erwerben, das kann doch ein echter Bischof wirklich nicht wollen – oder?

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Sitzende Kirche ...

Bitte nicht zu viel Verheißung

Die Bibel ist voll von Verheißungen gottgewirkter Erneuerungen. Ein Wort etwa wie das des Propheten Jesaja könnte angesichts der Krise, in der sich die Kirche gerade in Deutschland befindet, von ungeheurer Motivation sein.

Denkt nicht mehr an das, was früher war; auf das, was vergangen ist, achtet nicht mehr! Siehe, nun mache ich etwas Neues. Schon sprießt es, merkt ihr es nicht? Ja, ich lege einen Weg an durch die Wüste und Flüsse durchs Ödland. Jesaja 43,18-19

Der Text ist gerade insofern hochaktuell, als Jesaja primär eine Erneuerung angesichts der Sündengeschichte Israels intendiert; diese soll ebenso vergessen und hinter sich gebracht werden wie die Zeit des Exils, nicht aber die Grundlagen der Beziehung vor Gott wie der Exodus und der Thora. Damit richtet sich die hier geforderte Erneuerung an einer Vergangenheit als Ideal aus, in der die Beziehung des Volkes Israel zu Gott intakt war. Die Hoffnung auf eine so grundständige Erneuerung prägt auch das frühe Christentum, wie die Vision vom Wohnen Gottes unter den Menschen in der Offenbarung des Johannes zeigt:

Er, der auf dem Thron saß, sprach: Seht, ich mache alles neu. Und er sagte: Schreib es auf, denn diese Worte sind zuverlässig und wahr! Offenbarung 21,5

Für die, die sich dieser Erneuerung verschließen, in der die Wiederherstellung einer intakten Beziehung Gottes zu seinem Volk begründet ist, hält die Offenbarung des Johannes allerdings eine unmissverständliche Warnung bereit:

Wer siegt, wird dies als Anteil erhalten: Ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn sein. Aber die Feiglinge und Treulosen, die Befleckten, die Mörder und Unzüchtigen, die Zauberer, Götzendiener und alle Lügner – ihr Los wird der See von brennendem Schwefel sein. Dies ist der zweite Tod. Offenbarung 21,7-8

Ist es nicht feige, sich hinter einer vermeintlich sicheren Tradition – manifestiert in päpstlichen Lehräußerungen – zu verschanzen, die zwar einen alten Status quo begründen, aber die Beziehung des Volkes zu Gott nicht mehr im Fokus haben? Dabei ist Tradition als solches nie ein manifester Zustand gewesen, sondern ein lebendiger Prozess der Überlieferung des Wortes Gottes durch die Zeiten und in die lebendigen Kulturen hinein. Der viel beargwöhnte Zeitgeist – könnte es nicht auch der Geist Gottes sein, der immer neue Wege sucht, in den Menschen zu wohnen und so dem lebendigmachenden Wort Gottes immer neue Gestalt zu geben?

Löscht den Geist nicht aus! Verachtet prophetisches Reden nicht! Prüft alles und behaltet das Gute! 1 Thessalonicher 5,19-21

Man sollte nicht vorschnell über die Herausforderungen der jeweiligen Zeiten und Kulturen hinweggehen, um im Bewusstsein, doch nur die Tradition bewahrt zu haben, vor Gott letztendlich entgeistert als Feigling dazustehen …

Erneuerung ist das Gebot jeder Stunde

In den Zeiten der Unterweisung gab Jesus seinen Jüngern ein Beispiel zur brüderlichen Zurechtweisung, das auch in diesen Zeiten, in denen sich zumindest der deutsche Episkopat schwertut, eine gemeinsame Antwort auf die Herausforderungen der Gegenwart zu finden, einen besonderen Impuls birgt:

Wenn dein Bruder gegen dich sündigt, dann geh und weise ihn unter vier Augen zurecht! Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen. Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei mit dir, damit die ganze Sache durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werde. Hört er auch auf sie nicht, dann sag es der Gemeinde! Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner. Amen, ich sage euch: Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein. Matthäus 18,15-18

Die Bevollmächtigung zu lösen und zu binden, erweist sich eben nicht als Vollmacht, über die die Apostel verfügen könnten. Sie ist eingewoben und eng verflochten mit dem Bestreben, Einheit in der Gemeinde zu schaffen. Dabei birgt diese Bevollmächtigung zum einen den Aspekt, sich selbst an das zu binden, für das man steht, aber auch die Dinge und Probleme zu lösen, die anstehen. Gleichzeitig birgt die Bevollmächtigung eine Mahnung: Wer sich der Lösung verweigert, stellt sich letztendlich zwischen die Menschen und Gott. Neue Fragen verlangen nach neuen Lösungen. Neue Lösungen schaffen neue Bindungen.

Eine Zumutung

Das freilich ist eine nicht geringe Zumutung, die Jesus seinen Aposteln da anlastet. Es ist allerdings eine notwendige Zumutung, ohne die die junge Kirche nie alt geworden wäre. In dem einen Jahr seines öffentlichen Wirkens7) in Tat und Wort konnte Jesus nicht auf alle Fragen und Problem ein unmissverständliches Wort geben. Vieles ist und wird im Lauf der Menschheitsgeschichte geschehen, das dem irdischen Jesus sogar völlig fremd war. Und doch sind die Jüngerinnen und Jünger, die zu seinen Zeuginnen und Zeugen wurden, gefordert, in seinem Geist eine Antwort auf die jeweils neuen Fragen zu finden.

Das geschieht schon in der frühen Kirche. Das Arbeitspapier der Amazonien-Synode verweist zu Recht auf die Herausforderungen, denen sich schon die Urgemeinde ausgesetzt sah und auf die sie eine Antwort finden musste. Als die junge Gemeinde wuchs und die Sorge um die Armen die Apostel selbst überlastete, wurde einfach ein neues Amt gefunden:

In diesen Tagen, als die Zahl der Jünger zunahm, begehrten die Hellenisten gegen die Hebräer auf, weil ihre Witwen bei der täglichen Versorgung übersehen wurden. Da riefen die Zwölf die ganze Schar der Jünger zusammen und erklärten: Es ist nicht recht, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen und uns dem Dienst an den Tischen widmen. Brüder, wählt aus eurer Mitte sieben Männer von gutem Ruf und voll Geist und Weisheit; ihnen werden wir diese Aufgabe übertragen. Wir aber wollen beim Gebet und beim Dienst am Wort bleiben. Der Vorschlag fand den Beifall der ganzen Gemeinde und sie wählten Stephanus, einen Mann, erfüllt vom Glauben und vom Heiligen Geist, ferner Philippus und Prochorus, Nikanor und Timon, Parmenas und Nikolaus, einen Proselyten aus Antiochia. Sie ließen sie vor die Apostel hintreten und diese legten ihnen unter Gebet die Hände auf. Und das Wort Gottes breitete sich aus und die Zahl der Jünger in Jerusalem wurde immer größer; auch eine große Anzahl von den Priestern nahm gehorsam den Glauben an. Apostelgeschichte 6,1-7

Sollte das angesichts der Herausforderungen der Gegenwart nicht wieder möglich sein? Die Vollmacht, neue Lösungen zu finden, an die sich die Kirche bindet, ist doch von den Aposteln auf deren Nachfolger übergegangen. Zumindest die Bischöfe Lateinamerikas scheinen sich dieser Herausforderung wenigstens stellen zu wollen. Ob es auch den Mut zur Veränderung geben wird?

Ermutigung

Der Lernprozess, den kein geringerer als Petrus durchlaufen muss, wird da angesichts der Zumutung zur Ermutigung. Dabei erweist sich das Eingreifen Gottes weniger als Fingerzeig, denn als harter linker Haken. Ein einfacher Anstupser jedenfalls hat kaum gereicht, um Petrus zu neuer Erkenntnis und entsprechend konsequentem Handeln zu bewegen. Was war da geschehen?

In Cäsarea lebte ein Mann namens Kornelius, Hauptmann in der sogenannten Italischen Kohorte; er lebte mit seinem ganzen Haus fromm und gottesfürchtig, gab dem Volk reichlich Almosen und betete beständig zu Gott. Er sah um die neunte Tagesstunde in einer Vision deutlich, wie ein Engel Gottes bei ihm eintrat und zu ihm sagte: Kornelius! Kornelius blickte ihn an und fragte erschrocken: Was ist, Herr? Er sagte zu ihm: Deine Gebete und Almosen sind zu Gott gelangt und er hat ihrer gedacht. Schick jetzt einige Männer nach Joppe und lass einen gewissen Simon herbeiholen, der den Beinamen Petrus hat. Er ist zu Gast bei einem Gerber namens Simon, der ein Haus am Meer hat. Als der Engel, der mit ihm sprach, weggegangen war, rief Kornelius zwei seiner Haussklaven und einen frommen Soldaten von denen, die ihm treu ergeben waren. Er erzählte ihnen alles und schickte sie nach Joppe. Apostelgeschichte 10,1-8

Bei dem Hauptmann Kornelius handelt es sich offenkundig um einen gottesfürchtigen Mann – ein Nichtjude, ein Heide also, der allerdings mit dem jüdischen Monotheismus sympathisiert. Seine und die Wege des Petrus sollen sich kreuzen. Das freilich wird ein schwieriges Unterfangen werden, ist ein engerer Kontakt zwischen Juden und Heiden Juden doch eigentlich untersagt, weil er kultisch unrein macht. Petrus, obschon Apostel Jesu Christi, ist allerdings selbst noch ganz in der jüdischen Tradition gefangen. Gott selbst muss ihn deshalb unmissverständlich vor den Kopf stoßen. Nach Gottesart geschieht dies in einer Vision:

Er sah den Himmel offen und eine Art Gefäß herabkommen, das aussah wie ein großes Leinentuch, das, an den vier Ecken gehalten, auf die Erde heruntergelassen wurde. Darin waren alle möglichen Vierfüßler, Kriechtiere der Erde und Vögel des Himmels. Und eine Stimme rief ihm zu: Steh auf, Petrus, schlachte und iss! Petrus aber antwortete: Niemals, Herr! Noch nie habe ich etwas Unheiliges und Unreines gegessen. Da erging die Stimme ein zweites Mal an ihn: Was Gott für rein erklärt hat, nenne du nicht unrein! Das geschah dreimal und sogleich wurde das Gefäß in den Himmel hinaufgenommen. Apostelgeschichte 10,11-16

Petrus rätselt über diese Vision (vgl. Apostelgeschichte 10,17). Er, der an die Auferstehung des Gekreuzigten glaubt und weiter ein frommer, gesetzestreuer Jude ist, würde niemals unkoscheres, also unreines Fleisch essen. Die Vision aber drängt ihn dazu – dreimal, unmissverständlich. Es ist Gottes Sache, zu entscheiden, was rein und was unrein ist. Und Gottes Wege sind bisweilen unkonventionell und wenig traditionell.

Gottes Wege

In dieser Situation wird Petrus von den Boten Kornelius gefunden und zu diesem gebracht. Der Jude Petrus und der Heide Kornelius begegnen sich – und schon scheint wieder die Tradition zu obsiegen, hebt Petrus doch an:

Ihr wisst, dass es einem Juden nicht erlaubt ist, mit einem Nichtjuden zu verkehren oder sein Haus zu betreten. Apostelgeschichte 10,28a

Aber Petrus schmerzt offenkundig noch der göttlich-visionäre Backenstreich:

Mir aber hat Gott gezeigt, dass man keinen Menschen unheilig oder unrein nennen darf. Darum bin ich auch ohne Widerspruch gekommen, als nach mir geschickt wurde. Nun frage ich: Warum habt ihr mich holen lassen? Apostelgeschichte 10,28b-29

Es entspinnt sich ein Dialog zwischen Kornelius und Petrus, in dem Petrus nicht nur gewahr wird, dass Gott seinen eigenen Plan mit dem Heiden Kornelius hat. Petrus unterweist Kornelius auch in den Grundfesten des Glaubens an den vom Kreuzestod Auferstandenen und tauft ihn schließlich. Das Unglaubliche ist geschehen: Ein Heide wird getauft – und das von der Hand des Juden Petrus! Warum? Weil Gott längst schon da war, wo er nach der Tradition eigentlich nicht hätte sein dürfen:

Kann jemand denen das Wasser zur Taufe verweigern, die ebenso wie wir den Heiligen Geist empfangen haben? Apostelgeschichte 10,47

Gottes harter linker Haken

Kornelius ist der erste Heide, der in der Apostelgeschichte die Taufe empfängt, ohne vorher beschnitten worden zu sein. Damit ist ein neuer Zustand eingetreten – mit der Billigung und aktivem Zutun des Petrus, der freilich zu seinem Glück gezwungen werden musste. Er muss sich dafür nicht nur vor den Traditionalisten der Jerusalemer Urgemeinde verantworten. (vgl. Apostelgeschichte 11,1-18); er selbst wird auch rückfällig werden, als ihn der Mut verlässt und er in Antiochien die Tischgemeinschaft mit den getauften Heiden verweigert (vgl. Galater 2,11-21). Und doch ist durch sein gottgewolltes Handeln Neues geworden: Heiden werden ohne Vorbedingungen getauft. Dahinter kann nun niemand mehr zurück. Petrus hat gelöst und sich damit selbst gebunden.

Die Bibel lässt keinen Zweifel, dass Gott das Neue liebt. Neues ist schöpferisch. Geschlossene Türen verhindern da bisweilen den notwendigen Fortschritt und schaffen Gefängnisse, in die niemand wirklich will. Es bräuchte jetzt entweder Schlüssel, die die verschlossenen Türen zu öffnen imstande sind, oder einen Engel, der den Petrus wieder einmal aus dem Gefängnis befreit:

In der Nacht, ehe Herodes ihn vorführen lassen wollte, schlief Petrus, mit zwei Ketten gefesselt, zwischen zwei Soldaten; vor der Tür aber bewachten Posten den Kerker. Und siehe, ein Engel des Herrn trat hinzu und ein Licht strahlte in dem Raum. Er stieß Petrus in die Seite, weckte ihn und sagte: Schnell, steh auf! Da fielen die Ketten von seinen Händen. Apostelgeschichte 12,6-7

So oder so: Wer jetzt zu spät kommt, den wird nicht nur das Leben bestrafen. Wer jetzt zaudert, wird vor Gott als Feigling dastehen. Spricht Gott nicht überlaut in diese Zeiten hinein? Ist da niemand der seine Stimme hört? Er ist doch gar nicht leise. Im Gegenteil: Sein harter linker Haken trifft die Kirche schon längst. Was zögert ihr denn noch? Ringt, streitet, löst und bindet euch – damit etwas Neues wird, so wie Gott es will.

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Bildnachweis

Titelbild: Taquile Inselfest Frauen (Maurice Chédel) – Quelle: Wikicommons – lizenziert als gemeinfrei

Bild 1: Assemblée du Synode des évêques sur la famille en 2014 (Centro Televisivo Vaticano) – Quelle: Wikicommons – lizenziert als CC BY 3.0

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1. Vgl. hierzu Bischofssynode – Sonderversammlung für Amazonien (6.–27. 10. 2019), Amazonien: Neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie. Instrumentum Laboris, Nr. 129 (Quelle: https://www.adveniat.de/fileadmin/user_upload/Informieren/Aktuelles/Instrumentum_Laboris_Deutsch.pdf [Stand: 8. September 2019]).
2. Bischofssynode – Sonderversammlung für Amazonien (6.–27. 10. 2019), Amazonien: Neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie. Instrumentum Laboris, Nr. 129 (Quelle: https://www.adveniat.de/fileadmin/user_upload/Informieren/Aktuelles/Instrumentum_Laboris_Deutsch.pdf [Stand: 8. September 2019]).
3. Bischofssynode – Sonderversammlung für Amazonien (6.–27. 10. 2019), Amazonien: Neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie. Instrumentum Laboris, Nr. 129 (Quelle: https://www.adveniat.de/fileadmin/user_upload/Informieren/Aktuelles/Instrumentum_Laboris_Deutsch.pdf [Stand: 8. September 2019]).
4. Thomas Gutschker/Thomas Jansen, Kardinal Marx im Interview: „Es würde sich schon viel ändern, wenn die Männerwelt aufgebrochen wird“, in: FAZ online, 8.9.2019, Quelle: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/kardinal-marx-im-interview-die-maennerwelt-aufbrechen-16373113.html?premium [Stand: 8.9.2019].
5. Thomas Gutschker/Thomas Jansen, Kardinal Marx im Interview: „Es würde sich schon viel ändern, wenn die Männerwelt aufgebrochen wird“, in: FAZ online, 8.9.2019, Quelle: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/kardinal-marx-im-interview-die-maennerwelt-aufbrechen-16373113.html?premium [Stand: 8.9.2019].
6. Thomas Gutschker/Thomas Jansen, Kardinal Marx im Interview: „Es würde sich schon viel ändern, wenn die Männerwelt aufgebrochen wird“, in: FAZ online, 8.9.2019, Quelle: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/kardinal-marx-im-interview-die-maennerwelt-aufbrechen-16373113.html?premium [Stand: 8.9.2019].
7. Nach der synoptischen Überlieferung der Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas beträgt die Zeit der zwischen seinem ersten öffentlichen Auftreten in Galiläa und der Kreuzigung in Jerusalem etwa ein Jahr. Die johanneische Chronologie umfasst hingegen drei Jahre der öffentlichen Wirksamkeit. Das deutlich theologisierende Interesse des Johannesevangeliums spricht auch hinsichtlich der Chronologie für eine symbolisierende Entfaltung, so dass historisch der synoptischen Tradition der Vorzug zu geben ist.
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