Er gilt als einer der treuesten Gefährten des Menschen. Manch ein Zeitgenosse meint sogar, man könne sich besser auf ihn verlassen als auf manche Freunde. Der Philosoph Jörg Splett hingegen meinte einmal in einer Vorlesung an der Jesuitenhochschule in München, der Hund sei nicht wirklich treu, sondern einfach nur dressiert. Tatsächlich fehlt ihm für wahre Treue wohl die echte Wahlmöglichkeit, sich gegen Herrchen und Frauchen zu entscheiden. Denen dürfte es angesichts der zur gehorsamen Gefolgschaft gezähmten ehemals wölfischen Wildheit wohl egal sein. Längst sind Hunde anerkannte Familienmitglieder, deren Tod schmerzt und betrauert wird. Mit ihren besonderen Fähigkeiten unterstützen sie den Menschen als Such- und Spürhunde oder helfen als Therapie- oder Blindenhunde, damit Menschen ein selbstständig leben können. Das war er aber nicht immer!
Unrein und gefährlich
Die Heilige Schrift hat ein ambivalentes Verhältnis zum Hund. Das mag daran liegen, dass er nicht bloß als zahmer Freund begegnet, sondern auch als wilder Streuner, der eher Wolf als Haustier ist. Ihr Heulen wurde von den Menschen als bedrohlich empfunden, so dass der Psalmbeter angesichts feindlicher Völker klagt:
Am Abend kommen sie wieder, sie kläffen wie Hunde, umkreisen die Stadt. Sie streunen umher, gierig nach Fraß, werden sie nicht satt, dann knurren sie.
Die Gefahr, die ihnen ausgehen kann, hat aber noch einen anderen Hintergrund: Streunende Hunde fressen Aas (vgl. 2 Samuel 22,30) und den eigenen Kot, sie lecken das Blut von Erschlagenen auf (vgl. Psalm 68,24) und scheuen auch vor Leichen nicht zurück (vgl. 2 Könige 9,36). Kein Wunder, dass Hunde nicht nur als unrein galten und man den Kontakt mit diesen häufig in Rudeln lebenden Tieren mied. Als Bestrafung über den Tod hinaus galt es deshalb, wenn die Leiche von Hunden weggeschleift und geschändet wurde, wie es häufiger in den Königebüchern angedroht wird (etwa in 1 Könige 14,11 oder 2 Könige 9,10.35f).
Gefährten des Todes
Dieser Hintergrund spielt eine wichtige Rolle bei zwei berühmten Erzählungen aus dem Neuen Testament, bei dem diese negative Konnotation des Hundes mehr ist als ein bloßer erzählerischer Sidekick. In der Erzählung vom reichen Mann und dem armen Lazarus aus dem Lukasevangelium (Luas 16,19-3) etwa heißt es, dass vor der Tür des Reichen, der in Saus und Braus lebt, der arme Lazarus lebt. Das ist durchaus wörtlich zu verstehen. Jede und jeder, der ins Haus des Reichen eintritt, muss den armen Mann im wahrsten Sinn des Wortes mit Füßen getreten haben. Man wusste, dass er da lag. Trotzdem fällt nichts vom Überfluss für ihn ab. Stattdessen heißt es, dass
die Hunde kamen und an seinen Geschwüren leckten.
Mit dem kulturgeschichtlichen Hintergrund aus dem Alten Testament dürfte den Leserinnen und Hörern sofort der Fingerzeig klar sein: Der Arme vegetiert nicht bloß dahin; er ist mehr als tot und lebendig. Sein Körper ist schon fast in der Verwesung und den wilden Hunden überlassen. Tiefer kann ein Mensch kaum sinken. Umso drastischer erscheint dann die göttliche Gerechtigkeit, die den Armen im Himmel in Abrahams Schoß bringt, während der Reiche nun eine Ewigkeit lang darben muss. Der Kontrast wird deutlich, weil es Hunde sind, die sich an den Geschwüren laben.
Schimpf und Schande
So gesehen kann es kaum verwundern, dass das Wort „Hund“ auch als Beschimpfung gebraucht wurde. So polemisiert Paulus im Philipperbrief:
Gebt Acht auf die Hunde, gebt Acht auf die üblen Arbeiter, gebt Acht auf die Verschnittenen!
Und selbst Jesus scheut vor einer solch pejorativen Abwertung nicht zurück, wenn es ausgerechnet in der Bergpredigt heißt:
Gebt das Heilige nicht den Hunden und werft eure Perlen nicht den Schweinen vor.
Selbst die hilfesuchende syro-phönizische Frau, eine Nichtjüdin, die um die Heilung ihrer Tochter bittet, weist er zuerst schroff zurück:
Lasst zuerst die Kinder satt werden; denn es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den kleinen Hunden vorzuwerfen.
Die Frau aber lässt sich von dieser Zurückweisung nicht beeindrucken. In einer Art rhetorischen Judos nimmt sie die zynische (aus dem Griechischen kommend meint das wörtlich „hündische“) Energie mit und überwindet Jesu Widerstand:
Herr! Aber auch die kleinen Hunde unter dem Tisch essen von den Brotkrumen der Kinder.
Die vermeintliche Gegnerschaft zwischen der Heidin und dem Juden wird überwunden. Gezähmte Gefährtenschaft kann wachsen und Heilung geschehen.
Wenn aus Feinden Freunde werden
Als gezähmter Gefährte verliert der Hund auch in der Bibel seinen Schrecken. Er ist als Schäferhund (vgl. Hiob 30,1) oder Wachhund (vgl. Jesaja 56,10) ein wichtiger Unterstützer des Menschen. In der schönen Tobit-Novelle ist er neben dem Engel Rafael sogar Reisebegleiter (vgl. Tobit 6,1 und 11,9). Als tierischer Schutzengel hat der Hund wahrlich einen Ehrenplatz im Herzen der Menschen verdient. Nicht ohne Grund ist dem Hund mit dem 10. Oktober sogar ein eigener Welttag gewidmet. Die Geschichte des Menschen mit den Hunden, wie sie auch in der Heiligen Schrift aufscheint, zeigt, dass aus Feinden Freunde werden können.
Bildnachweis
Titelbild: Barent Fabritius – De rijke man en de arme Lazarus – Quelle: Wikicommons – lizenziert als gemeinfrei.
Video: Dei Verbum direkt: Freund oder Feind (Trailer) (Katholische Citykirche Wuppertal/Christoph Schönbach) – Quelle: https://vimeo.com/manage/videos/600338093 – alle Rechte vorbehalten