Kapitel
Ecclesiastica·Pastoralia·Res publica·Sanitas

Fragiler Firnis mit fortschreitenden Fissuren Nachdenkliche Beobachtungen eines Neutestamentlers in der Corona-Krise


den Artikel
vorlesen lassen

Greta schafft nicht, was Corona mit Leichtigkeit vollbrachte – die Menschen sind in Panik! Nudeln, Reis und Ravioli, Küchenrollen und Klopapier – in manchem Supermarkt verliert der zum Hamster mutierte Homo sapiens sapiens die Nerven und folgt einem irrationalen Überlebenstrieb. Dabei haben selbst in den Ländern, die längst den Shutdown1) angesichts der Corona-Pandemie vollzogen haben oder vorbereiten – und dazu gehören Mitte März 2020 neben Italien und Spanien auch Österreich und Frankreich – die Geschäfte weiterhin geöffnet, die für die Aufrechterhaltung der Grundversorgung notwendig sind. Die Nerven freilich liegen angesichts einer unsichtbaren Bedrohung durch ein Virus, das nur etwa 160 Nanometer2) groß ist, blank. Trotz seiner nur mikroskopisch wahrnehmbaren winzigen Größe entfaltet es eine große Potenz. Gerade wegen seiner Winzigkeit dringt es mit Leichtigkeit in Zellen infizierter Menschen ein, die zwischen 4 und 200 Mikrometer3) groß sind. Um sich die Größenzuordnung klar zu machen, hilft ein Vergleich. Wenn man ein Coronavirus auf die Größe eines Balls von 20cm Durchmesser (das entspricht in etwa einem Handball) vergrößerte, entspräche bei einer mittleren menschlichen Zelle von 160 Mikrometer einem Haus von 20 Meter Höhe. Es ist also kein Wunder, dass die vielgehorteten Atemschutzmasken mit ihren verhältnismäßig großen Poren dem Winzling keinen Widerstand leisten können. Ein unsichtbarer und gleichzeitig hochbrisanter Angreifer trifft auf eine Menschheit, die ihm (noch) nichts entgegenzusetzen hat. Sie ist ohnmächtig und wehrlos. Wehrlose Ohnmacht aber erzeugt Angst. Kein Wunder, dass bei so viel Schiss Klopapier zu den begehrtesten Gütern gehört …

Triebsteuerungen

Die Angst offenbart, dass dem menschlichen Verstand als von Platon intendiertem Wagenlenker4) schneller die Pferde durchgehen, als ihm lieb ist. Da hilft auch nicht der ebenso naturkundige wie angesichts einer Krise wie der Corona-Pandemie verzweifelte Ruf nach gottvertrauter Gelassenheit des Psalmisten:

Werdet nicht wie Ross und Maultier, die ohne Verstand sind. Mit Zaum und Zügel muss man ihr Ungestüm bändigen, sonst bleiben sie nicht in deiner Nähe. Der Frevler leidet viele Schmerzen, doch wer dem HERRN vertraut, den wird er mit seiner Huld umgeben. Psalm 32,9-10

In triebgesteuerter Angst, die durch wehrlose Ohnmacht verursacht ist, zählen nicht mehr zivilisierte Kultur und Solidarität; sie offenbart, dass im Kern des Menschen immer noch animalische Instinkte wirksam sind, die ihn, wenn es darauf ankommt, zum Überleben treiben. In Krisen wie der Corona-Pandemie, wenn dem Menschen aus medizinischen Notwendigkeiten Freiheiten beschränkt werden, ja, wenn die Natur ihren Tribut fordert, weichen die Errungenschaften menschlicher Kultur erstaunlich schnell zur Seite. Was gestern noch soziale Stabilität ausmachte offenbar sich nun als äußerst fissurierter Firnis einer fragilen Gesellschaft, die schnell zu zerreißen droht und bei der die Schwächeren auf der Strecke bleiben. Da ist jedes Zeichen menschlicher Solidarität schon eine große Ermutigung – etwa wenn der Wert der Nachbarschaft wiederentdecket wird und die Jungen und Starken sich anbieten, denen, die als Alte oder Vorerkrankte angesichts der Corona-Pandemie besonders gefährdet sind, Hilfe bei Einkäufen und Erledigungen anbieten. Offenkundig sind noch nicht alle Menschen zu Nagetieren geworden. Manche aber versuchen sich im Gegenteil wie Ratten zu auf Kosten anderer zu bereichern. Was soll man davon halten, wenn der amerikanische Präsident unverhohlen versucht hat, Forscherinnen und Mitarbeiter der Tübinger Firma Curevac abzuwerben, um den möglichen Impfstoff gegen das Coronavirus, der in der Firma Curevac entwickelt wird, exklusiv für die USA zu bekommen.5) America first? Gott schütze Amerika, dessen Präsident sich einmal mehr als egomanischer Hasardeur mit triebhaftem Gewinnstreben outet. In einer Welt, in der jeder nur an sich denkt, ist nur vordergründig an jeden gedacht. Auch das weiß der Psalmist, wenn er betet:

Selig der Mann, der nicht nach dem Rat der Frevler geht, nicht auf dem Weg der Sünder steht, nicht im Kreis der Spötter sitzt, sondern sein Gefallen hat an der Weisung des HERRN, bei Tag und bei Nacht über seine Weisung nachsinnt. Er ist wie ein Baum, gepflanzt an Bächen voll Wasser, der zur rechten Zeit seine Frucht bringt und dessen Blätter nicht welken. Alles, was er tut, es wird ihm gelingen. Nicht so die Frevler: Sie sind wie Spreu, die der Wind verweht. Darum werden die Frevler im Gericht nicht bestehen noch die Sünder in der Gemeinde der Gerechten. Denn der HERR kennt den Weg der Gerechten, der Weg der Frevler aber verliert sich. Psalm 1

Die Niederlage der Solidarität

Die Solidarität ist eine kulturelle Errungenschaft des Menschen, die auf fragilem Fundament ruht. Schon kleine Erschütterungen reichen aus, um sie zerbrechen zu lassen. Auch in Deutschland werden Mitte März 2020 erste einschneidende Maßnahmen angesichts der Corona-Pandemie ergriffen, die den gewohnten Alltag aus dem Tritt kommen lassen. Es wird sich zeigen, ob eine Gesellschaft, in deren jüngerer Vergangenheit der Gemeinsinn gegenüber egomanischen Bedürfnissen immer mehr in den Hintergrund getreten ist, dieser Herausforderung gewachsen ist. Die Invektive des us-amerikanischen Präsidenten zu Abwerbung der Tübinger Forscher und Mitarbeiterinnen zeigt allerdings die unmoralischen Auswirkungen eines grassierenden Nationalismus. Auch wenn die Welt angesichts einer immer stärkeren Globalisierung kleiner geworden zu sein scheint, hat sich offenkundig der menschliche Geist nicht geweitet. Seine angstgesteuerten und triebhaften Beschränkungen sind überall greifbar. Das triebhafte Muster ist immer das Gleiche. Egal, ob es um Flüchtlinge geht, die in ihrer Not heimatvertrieben einen Ort suchen, an dem sie in Frieden und Sicherheit leben können, oder eine virale Pandemie, der man eigentlich nur mit solidarischer Kraft Herr werden kann – der einzelne Mensch sucht sein Leben zu retten. Frauen und Kinder zuerst? Egal! Das rettende Boot gehört mir! Und wenn ich drin bin, ist es voll! Der Journalist Bernd Ulrich fast diese Situation mit analytischer Strenge zusammen und formuliert treffend:

„Beginnen wir mit der Globalisierungskritik der autoritären Nationalisten. Ein autoritärer Nationalist reist nicht weniger als sein Globalist, er verzichtet weder auf Palmöl aus Indonesien noch auf billige Hemden aus Bangladesch. Nein, die autoritären Nationalisten haben nichts gegen die Globalisierung anderer, sie wollen nur selber nicht länger globalisiert werden. Bezogen auf die westlichen Nationalisten bedeutet dies: hemmungslose Globalisierung der eigenen Bedürfnisse und zugleich brutale Abwehr der dadurch erzeugten Folgekosten – besonders der flüchtenden, jener Globalisierungsfolge die auch noch sprechen, Forderungen stellen und Vorwürfe machen kann. Dass dieses Konzept unmoralisch ist, bedeutet noch lange nicht, dass es funktioniert. Man hat sich ja in der internationalen Politik angewöhnt, Egoismus für realistisch zu halten und Altruismus für naiv.“6)

Geld oder Leben

Die galoppierende Deflation zwischenmenschlicher wie internationaler Solidarität trifft auf eine verstörende Potenz zur Vermehrung. Aktuelle, auf empirischen Beobachtungen basierende Prognosen zeigen eine grassierende Verbreitung des Coronavirus. Die Infektionen scheinen sich gegenwärtig alle sechs Tage zu verdoppeln7). Legt man diese Beobachtungen zugrunde, ist davon auszugehen, dass sich die Mitte März 2020 noch relativ niedrige Infektionsrate etwa in Deutschland schnell potenzieren kann. Um sich die Bedeutung der Potenzierung zu vergegenwärtigen, kann auf das alte Beispiel des Schachbrettes zurückgegriffen werden. Legt man auf das erste Feld ein Reiskorn, auf das nächste Feld doppelt so viel und verdoppelt auf diese Weise von Feld zu Feld die Reiskörner, so würden auf dem 64ten und letzten Feld mehr Reiskörner liegen als es wahrscheinlich Atome im Universum gibt. Diese Fähigkeit zur Potenzierung ist die eigentliche Gefahr der gegenwärtigen Corona-Pandemie. Eine Infektion läuft wohl in gut 80% der Fälle mehr oder weniger milde ab. In 20% der Infektionen kommt es allerdings zu schweren, bisweilen sogar zu todbringenden Verläufen. Die dem Corona-Virus innewohnende Dynamik zu potenzierender Vermehrung würde dann bedeuten, dass innerhalb weniger Monate mehr als 1 Mio. Menschen allein in Deutschland schwerst infiziert wären. Der Zusammenbruch des Gesundheitssystems wäre die fatale Folge. Sie zeitigt drastische Eingriffe, um die Infektionskurve abzuflachen und so medizinisch handhabbar zu machen. Freilich zeitigen diese Eingriffe auch wirtschaftliche Folgen, die es gegen den medizinischen Nutzen abzuwägen gilt. Geld oder Leben, das ist letztlich die Frage …

Verstörende Vermehrungen

Der verstörenden Potenz zur Vermehrung des Virus steht ein drohender Verlust menschlicher Solidarität entgegen. Was soll man davon halten, wenn die medizinisch sinnvolle Einschränkung des öffentlichen Lebens durch private Partys unterlaufen wird? Morituri te salutant? Die Todgeweihten grüßen und feiern noch einmal? Paulus jedenfalls sieht der drohenden Gefahr mit nüchterner, gleichwohl gottvertrauter Gelassenheit entgegen, gerade weil er das Leben liebt:

Wenn ich in Ephesus nur nach Menschenart mit wilden Tieren gekämpft hätte, was würde es mir nützen? Wenn Tote nicht auferweckt werden, dann lasst uns essen und trinken; denn morgen sterben wir. Lasst euch nicht irreführen! Schlechter Umgang verdirbt gute Sitten. Werdet nüchtern, wie es sich gehört, und sündigt nicht! Einige Leute wissen nichts von Gott; ich sage das, damit ihr euch schämt. 1 Korinther 15,32-34

Selbst wenn man wie die, die nichts von Gott wissen, an der Tatsächlichkeit von Wundern zweifeln mag: Das Corona-Virus zeigt, wie Vermehrung geht – auch ganz ohne Wunder. Das als „wunderbare Brotvermehrung“ bekannte Ereignis hingegen ist bei näherer Betrachtung vielleicht gar nicht so wunderbar, sondern eher ein Zeichen jener zwischenmenschlichen Solidarität, die Leben möglich macht. Nach langem Tag und Lehren sind die Massen noch bei Jesus und seinen Jüngern. Die wollen die Leute nach Hause schicke. Er aber weist sie an:

Gebt ihr ihnen zu essen. Markus 6,37

Solidarität ist im Zweifel gerade nicht delegierbar. Es kommt auf jeden einzelnen Menschen an, der in einer konkreten Situation gefordert ist. Jetzt bedeutet Solidarität eben möglicherweise auch den Verzicht auf trotzigen Totentanz privater Partys.

Das eigentliche „Wunder“ aber steht noch bevor:

Dann befahl er ihnen, sie sollten sich in Mahlgemeinschaften im grünen Gras lagern. Und sie ließen sich in Gruppen zu hundert und zu fünfzig nieder. Darauf nahm er die fünf Brote und die zwei Fische, blickte zum Himmel auf, sprach den Lobpreis, brach die Brote und gab sie den Jüngern, damit sie diese an die Leute austeilten. Auch die zwei Fische ließ er unter allen verteilen. Und alle aßen und wurden satt. Und sie hoben Brocken auf, zwölf Körbe voll, und Reste von den Fischen. Es waren fünftausend Männer, die von den Broten gegessen hatten. Markus 6,39-44parr

Der entscheidende narrative Kniff findet sich in Vers 42. Dort wird zwar gesagt, dass alle aßen und satt wurden. Die kleine Wendung ἀπὸ ἀυτόν (gesprochen: apò autón) fehlt, die als „davon“übersetzt eindeutig das von Jesus verteilte Brot identifizieren würde8). Offenkundig geht es bei der Brotvermehrung gar nicht darum, dass alle von fünf Broten und zwei Fischen aßen. Die Anweisung Jesu, kleine Gruppen zu bilden und aus der Menschenmasse so menschliche Gegenüber werden zu lassen, wirkt solidarisierend. Das Beispiel Jesu, alles, was er und die Seinen haben, zu geben, hingegen wirkt inspirierend. So fängt man an, solidarisch alles zu geben, was man selbst bei sich hat. So werden alle satt und es bleibt noch überreich übrig.

Diese Solidarität fehlt noch allzu oft gegenüber einem Virus, dass sich pandemisch vermehrt. Nur vermehrte Solidarität aber kann hier der Weg sein, egomanische Triebsteuerung muss wieder sozialer Intelligenz weichen, irrationaler Überlebensinstinkt vernünftigem Altruismus. So wird auch diese Krise überstanden werden. Wenn das Notwendige getan wird, schaffen wir das. Wieder einmal …

Et tu, ekklesia!

Es ist gut, dass sich auch die Kirche mit an die Spitze des solidarischen Gemeinsinns setzen und angesichts der viralen Corona-Pandemie zu vorübergehendem Meiden sozialer Kontakte aufrufen. Das führt Mitte März 2020 sogar dazu, dass in der römisch-katholischen Kirche fast bundesweit für mehrere Woche öffentliche Gottesdienste abgesagt werden. Für eine Kirche, deren Herz nicht nur wegen des Kirchengebotes der Sonntagspflicht in der Feier der Eucharistie schlägt, ist das ein tiefgreifender Einschnitt. Es gibt viele Versuche, dem zu begegnen. Man entdeckt die Möglichkeiten der Digitalität und streamt Gottesdienste aus leeren Kirchen in die heimischen Bildschirme; so kann man wenigstens online in der gewohnten sonntäglichen Umgebung sein. Ob das ein gangbarer und nachhaltiger Weg sein kann, wird sich ebenso zeigen, wie der sicher gut gemeinte Gedanke einer Stellvertretung, der sich hinter dem Ansinnen mancher Priester verbirgt, am heimischen Altar sonntäglich eine stille Messe zu zelebrieren. Immerhin stellt das Zweite Vatikanische Konzil in der Liturgiekonstitution „Sacrosanctum Concilium“ dazu fest:

„Die liturgischen Handlungen sind nicht privater Natur, sondern Feiern der Kirche, die das ‚Sakrament der Einheit‘ ist; sie ist nämlich das heilige Volk, geeint und geordnet unter den Bischöfen. Daher gehen diese Feiern den ganzen mystischen Leib der Kirche an, machen ihn sichtbar und wirken auf ihn ein; seine einzelnen Glieder aber kommen mit ihnen in verschiedener Weise in Berührung je nach der Verschiedenheit von Stand, Aufgabe und tätiger Teilnahme.“9)

Tatsächlich bedeutet der drastische Schritt des Verzichtes auf Eucharistiefeiern eine große Herausforderung. Viele Bischöfe wissen aber auch um die Notwendigkeit dieses Schrittes, der mit der Pflicht zur Nächstenliebe korrespondiert. Genau hier setzen eben der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki10) oder der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf an. Letzterer etwa schreibt in einem Brief an die Glaubenden in seinem Bistum:

„Als Christinnen und Christen haben wir Verantwortung für unsere Mitmenschen und für unsere Gesellschaft. Wir müssen alles tun, um eine weitere und schnelle Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 zu verhindern. Der Verzicht auf Gottesdienste und Veranstaltungen des gemeindlichen Lebens ist damit auch ein Dienst, den wir insbesondere denen erweisen, die durch eine Infektion gefährdet sind. (…) Die Tradition kennt das eucharistische Fasten: ein bewusstes Sich-Enthalten der Gemeinschaft mt Christus in der Eucharistie, um das Sakrament dann mit umso größerer Freude zu empfangen. Vielleicht kann diese eine Haltung sein, um der vor uns liegenden Zeit einen geistlichen Sinn zu geben.“11)

In der Krise zeigt sich der Charakter. Helmut Schmidt

Fromme Versuchungen

Manche Bischöfe aber, wie die polnische Bischofskonferenz oder manche Bischöfe in der Schweiz, wollen davon nichts wissen. Die polnischen Bischöfe etwa feiern sogar noch mehr Messen angesichts der Corona-Pandemie12), während manche sich selbst fromm wähnend über andere Urteilende gerade in den sozialen Medien unumwunden und mit bigotter Infantilität feststellen, der Leib Christi könne nur heilen, nicht krank machen. Abgesehen davon, dass solche spirituellen Kindsköpfe die Glaubensreife eines Thomas von Aquin und dessen „gratia supponit naturam“ (die Gnade setzt die Natur voraus) weder gehört, denn begriffen haben oder je begreifen können. Ihr Verhalten entpuppt sich bei näherem Hinsehen sogar als unjesuanischer als ihnen lieb ist. Sind es im Gleichnis vom barmherzigen Samariter nicht gerade die Fromme, die um der kultischen Pflichten willen zu jenen werden, die sich auch im Angesicht Gottes der unterlassenen Hilfeleistung schuldig machen?

Und siehe, ein Gesetzeslehrer stand auf, um Jesus auf die Probe zu stellen, und fragte ihn: Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben? Jesus sagte zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du? Er antwortete: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und deiner ganzen Seele, mit deiner ganzen Kraft und deinem ganzen Denken, und deinen Nächsten wie dich selbst. Jesus sagte zu ihm: Du hast richtig geantwortet. Handle danach und du wirst leben! Der Gesetzeslehrer wollte sich rechtfertigen und sagte zu Jesus: Und wer ist mein Nächster? Darauf antwortete ihm Jesus: Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wurde von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn aus und schlugen ihn nieder; dann gingen sie weg und ließen ihn halbtot liegen. Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab; er sah ihn und ging vorüber. Ebenso kam auch ein Levit zu der Stelle; er sah ihn und ging vorüber. Ein Samariter aber, der auf der Reise war, kam zu ihm; er sah ihn und hatte Mitleid, ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein eigenes Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn. Und am nächsten Tag holte er zwei Denare hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme. Wer von diesen dreien meinst du, ist dem der Nächste geworden, der von den Räubern überfallen wurde? Der Gesetzeslehrer antwortete: Der barmherzig an ihm gehandelt hat. Da sagte Jesus zu ihm: Dann geh und handle du genauso! Lukas 10,25-37

Geradezu diabolisch aber wirkt ihr Verhalten angesichts der Versuchungen, denen Jesus sich in der Wüste durch den Ankläger ausgesetzt sieht. Dort geht es auch um die Integrität des Leibes Christi:

Darauf nahm ihn der Teufel mit sich in die Heilige Stadt, stellte ihn oben auf den Tempel und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab; denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er um deinetwillen, und: Sie werden dich auf ihren Händen tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt. Jesus antwortete ihm: In der Schrift heißt es auch: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen. Matthäus 4,5-7

Der Teufel ist wahrhaft fromm – zumindest oberflächlich. Der Leib Christi kann doch nie und nimmer krank machen, nur heilen. Also soll er sich doch vom Tempel stürzen. Eine fromme Versuchung, die am Kreuzestod zerschellt. Im Tod am Kreuz ist Gottes Sohn sogar solidarisch mit denen, die gottverlassen sind. In der Auferstehung wird er auch sie retten. Ohne Leid und Tod des Leibes Christi gibt es aber keine Auferstehung. Also redet bitte, ihr vermeintlich Frommen, nicht so einen diabolischen Blödsinn, der Menschen angesichts der Corona-Pandemie gottgeschenktes Leben kosten kann. Eure Worte erklingen in der Bibel aus dem Mund des Versuchers. Wisst ihr etwa nicht, was geschrieben steht? Man sollte für euch beten, dass auch ihr wieder solidarisch werdet in dem einen Leib Christi, der zerbrechlich ist wie des fragilen Firnis’ schwindender Solidarität: Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen!

Empfehlen Sie diesen Artikel weiter
  • Share this on WhatsApp
  • Share this on Linkedin
Wenn Sie über die Veröffentlichung neuer Texte informiert werden möchten. schicken Sie bitte eine E-Mail, mit dem Betreff „Benachrichtigung“, an mail@dei-verbum.de

Bildnachweis

Titelbild: Riss (Devanath) – Quelle: Pixnio – lizenziert mit CC0.

Video: Coronavirus: Darum sollten wir jetzt zuhause bleiben (ZDFheute Nachrichten) – Quelle: Youtube – lizenziert mit YouTube-Standardlizenz.

Einzelnachweis   [ + ]

1. Vgl. hierzu https://www.morgenpost.de/politik/article228664247/Coronavirus-Corona-Alarmzustand-Behoerden-warnen-vor-Reisen-Fluege-Katalonien.html [Stand: 15. März 2020].
2. Ein Nanometer (nm) entspricht einem 10 Millionstel Zentimeter.
3. Ein Mikrometer (μm) entspricht einem Zehntausendstel Zentimeter.
4. So Platon in dem Dialog Phaidros (246a–247c, 253c–254e).
5. Vgl. hierzu Kristina Ludwig und Elisabeth Dostert, Kann Trump die deutsche Impfstoffforschung aufkaufen?, in: SZ-online, 15.3.2020, Quelle: https://www.sueddeutsche.de/politik/corona-trump-impfstoff-curevac-1.4845350 [Stand: 15. März 2020].
6. Bernd Ulrich, So nah ist zu nah. Für die Natur ist immer Corona: Warum die Globalisierung langsamer werden muss, in: Zeit, 12.3.2020 (Nr. 12), S. 3.
7. Vgl. hierzu den bemerkenswerten Beitrag von Tomas Pueyo, Coronavirus: Warum du jetzt handeln musst!, 13.3.2020, Quelle: https://perspective-daily.de/article/1181/2hWA1mB8 [Stand: 15. März 2020].
8. In den Abendmahlsberichten wird auf ähnliche Weise eindeutig der Kelch identifiziert, aus dem (ἐξ αὐτοῦ – gesprochen: ex autoû – vgl. Markus 14,23parr) alle trinken.
9. Zweites Vatikanisches Konzil, Konstitution über die Heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 26, Quelle: http://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_const_19631204_sacrosanctum-concilium_ge.html [Stand: 15. März 2020].
10. Siehe hierzu das DOMRADIO-Video mit dem Wort des Bischofs vom 15.3.2020 – Quelle: https://www.domradio.de/video/wort-des-bischofs-zum-coronavirus [Stand: 15. März 2020].
11. Peter Kohlgraf (Bischof von Mainz) in einem Schreiben an die „lieben Schwestern und Brüder im Bistum Mainz“ vom 13.3.2020 – Quelle: https://bistummainz.de/export/sites/bistum/organisation/.galleries/downloads/Bischof-Brief-Corona-13Mrz2020.pdf [Stand: 15. März 2020].
12. Siehe hierzu https://www.katholisch.de/artikel/24805-polnische-bischofskonferenz-mehr-messen-wegen-coronavirus [Stand: 15. März 2020].
Weitere Beiträge:

1 Reply

  1. Mit kommt Don Camillo in den Sinn, als der grosse Fluss wieder einmal verrückt spielte und alles unter Wasser setzte.

    Als er von der Kirche zu seinen Schäfchen auf dem Damm sprach, ob Kommunisten oder Grossgrundbesitzer.

    Ein Trost gibt mir die Musik aus alter Zeit:

    “Herr wenn ich nur dich habe”

    https://www.youtube.com/watch?v=1Gj3WpDCPw8

    “Verleih uns Frieden gnädiglich”

    https://www.youtube.com/watch?v=9W8S9UC0zrE

    Österliche Grüsse aus Luzern mit den noch offenen Kirchentüren:

    “Christ erstanden von den Toten”

    https://www.youtube.com/watch?v=Rhw7Zd2KpOI