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In Zeiten, in denen der Aufbruch vielfach beschworen, selten aber gewagt wird, haben Konzepte Konjunktur. Die Konzeptarbeit erspart die Begegnung mit der Realität. Zu papierenem Geplapper geworden haben viele dieser Pläne ihre Aktualität bereits bei der Verabschiedung eingebüßt, weil die Realität, ignorant wie sie ist, längst eigene Wege gegangen ist. Der Weg der Konzeptbildung wird daher selbst oft schon als Ziel angesehen. So verwundert es nicht, wenn nach dem Konzept die Arbeit an einem neuen Konzept ansteht, ohne dass das alte umgesetzt würde.
Wenn Worte schlagen
Viele kirchliche Konzepte kulminieren in Schlagworten. Aus versorgten Gemeinden sollten in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts mitsorgende werden. In den 90ern wurde dann die Geh-hin-Kirche gerade von denen propagiert, die gerne ihre Schäfchen im Trockenen wähnten. In der ersten Dekade der 2000er Jahre deutete man den schleichenden Substanzverlust in einen Gesundschrumpfungsprozess um; in der Zukunft, die heute beginnen sollte, sollte der Heilige Rest der Zurückgebliebenen missionarischer sein – wobei unberücksichtigt blieb, dass missionarische Verkündigung eigentlich ein Wachstum der Gemeinschaft erstrebt. Ein Gesundschrumpfen hingegen läuft zumindest der Intention der Wachstumsgleichnisse zuwider, die trotz des scheinbaren Misserfolges eine letztlich reiche Ernte verheißen1). Und ließen sich nach der pfingstlichen Erstverkündigung des Petrus nicht gar 3.000 Menschen in Jerusalem taufen (vgl. Apostelgeschichte 2,41)?
Ermattet von der schlagenden Kraft der Leitworte taucht in diesen Zeiten ein neues altes Leitbild auf, das in vieler Munde ist: die Charismenorientierung2). Die Macht dieses Schlagwortes ist groß. Es vereint viele Linien der letzten Jahrzehnte. Wer sich an den Charismen der Gemeinde orientiert, macht die Glaubenden, die man nun vordergründig wertschätzend als Getaufte und Gefirmte bezeichnet, aus versorgten zu sorgenden Gliedern des Leibes Christi, die – weil sie normale Menschen sind – wie von selbst im Alltag die Geh-hin-Kirche praktizieren und so als Rest, der von Laien zu Getauften und Gefirmten geheiligt wird, den missionarischen Auftrag umsetzen sollen, an dem die vielen Konzepte der jüngeren Vergangenheit faktisch gescheitert sind. Weil der professionell konzeptionierte Weg sich offenkundig doch nicht als Ziel erwiesen hat, wird die Aufgabe flugs an die Basis charismatisch orientiert delegiert. Jede und jeder soll nun einfach das einbringen, was er ohnehin schon kann (und tut).
Machtfaktor Charisma
Es ist dem harten Schicksal der Schlagworte eigen, dass sie einen komplexen Sachverhalt auf den Punkt bringen sollen. Mit ihnen steht oder fällt das Konzept, das sich hinter seiner pragmatischen Valenz3) versteckt. Die pragmatische Valenz des Wortes „Charisma“ ist hoch. Der Begriff ist schillernd. Er scheint theologisch aufgeladen zu sein, gilt es im kirchlichen Sprachkontext doch ausgemacht, dass „Charisma“ eine besondere Begabung durch den Heiligen Geist bezeichnet. Ein Charisma kann daher eigentlich nicht in Frage gestellt werden. Man spricht von priesterlichem Charisma oder dem Charisma der Getauften und Gefirmten und suggeriert damit eine geradezu gottgegebene Aufteilung von Sphären des Seins, die – einmal ontologisch zugesprochen – unabänderlich erscheinen.
Tatsächlich erkennt auch der Soziologe Max Weber im Charisma eine eigene Legitimationsform von Herrschaft. Nach ihm legitimiert sich der charismatische Herrschaftstyp „kraft affektueller Hingabe an die Person des Herrn und ihre Gnadengaben (Charisma), insbesondere: magische Fähigkeiten, Offenbarungen oder Heldentum, Macht des Geistes und der Rede“4). Dabei ist die charismatische Herrschaft nach Max Weber primär „eine spezifisch außeralltägliche und rein persönliche soziale Beziehung“5), die bei Wegfall des persönlichen Charismenträgers die Tendenz zu Veralltäglichung hat (durch Traditionalisierung der Ordnungen, durch Übergang des charismatischen Verwaltungsstabes – also der Jünger- oder Gefolgschaft des Charismenträgers – in einen legalen oder ständischen Stab oder durch Umbildung des Sinnes des Charismas selbst)6).
Charisma – ein biblisches Randthema
Man kann in den soziologischen Ausführungen M. Webers unschwer Analogien der Entwicklung ekklesialer Institutionalisierungsprozesse entdecken. Dass dabei der Begriff „Charisma“ gerade in der kirchlichen Tradition eine dermaßen pragmatisch valente wie relevante Rolle spielt, ist von seiner biblischen Grundlegung her alles andere als selbstverständlich. Der Terminus „Charisma“ (χάρισμα) gehört nicht unbedingt zu den neutestamentlichen Vorzugsworten. Ein Blick in eine Konkordanz zeigt7), dass der Begriff überhaupt insgesamt nur 17mal verwendet wird – mit einer Ausnahme (1 Petrus 4,10) ausschließlich im Corpus Paulinum. Vor allem in der Argumentation des 1. Korintherbriefes nimmt der Begriff eine wichtige Stellung ein. Hier ist es vor allem der einprägsame Kontext des Bildes von der Gemeinde als eines Leibes Christi, der zur pragmatischen Valenz des Begriffes „Charisma“ beigetragen hat:
Denn wie der Leib einer ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: So ist es auch mit Christus. Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie; und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt. Auch der Leib besteht nicht nur aus einem Glied, sondern aus vielen Gliedern. Wenn der Fuß sagt: Ich bin keine Hand, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört er doch zum Leib. Und wenn das Ohr sagt: Ich bin kein Auge, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört es doch zum Leib. Wenn der ganze Leib nur Auge wäre, wo bliebe dann das Gehör? Wenn er nur Gehör wäre, wo bliebe dann der Geruchssinn? Nun aber hat Gott jedes einzelne Glied so in den Leib eingefügt, wie es seiner Absicht entsprach. Wären alle zusammen nur ein Glied, wo bliebe dann der Leib? So aber gibt es viele Glieder und doch nur einen Leib. Das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich bin nicht auf dich angewiesen. Der Kopf kann nicht zu den Füßen sagen: Ich brauche euch nicht. Im Gegenteil, gerade die schwächer scheinenden Glieder des Leibes sind unentbehrlich. Denen, die wir für weniger edel ansehen, erweisen wir umso mehr Ehre und unseren weniger anständigen Gliedern begegnen wir mit mehr Anstand, während die anständigen das nicht nötig haben. Gott aber hat den Leib so zusammengefügt, dass er dem benachteiligten Glied umso mehr Ehre zukommen ließ, damit im Leib kein Zwiespalt entstehe, sondern alle Glieder einträchtig füreinander sorgen. Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit; wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle anderen mit. Ihr aber seid der Leib Christi und jeder Einzelne ist ein Glied an ihm. So hat Gott in der Kirche die einen erstens als Apostel eingesetzt, zweitens als Propheten, drittens als Lehrer; ferner verlieh er die Kraft, Machttaten zu wirken, sodann die Gaben, Krankheiten zu heilen, zu helfen, zu leiten, endlich die verschiedenen Arten von Zungenrede. Sind etwa alle Apostel, alle Propheten, alle Lehrer? Haben alle die Kraft, Machttaten zu wirken? Besitzen alle die Gabe, Krankheiten zu heilen? Reden alle in Zungen? Können alle übersetzen? Strebt aber nach den höheren Gnadengaben!
Die Zähmung der allzu Begeisterten
Die Gemeinde in Korinth gilt vielen auch heute noch als Paradigma einer charismatisch organisierten Gemeinde. Sie erscheint als visionäres Urbild einer Kirche, die sich allein aus dem Wirken des Heiligen Geistes heraus konstituiert und organisiert. Begeisterung scheint das Wesen dieser Gemeinde zu sein.
Freilich scheinen nicht alle Glieder der korinthischen Gemeinde von der Herrschaft des Charismas angetan gewesen zu sein. Offenkundig kommt es bei einzelnen zu Superioritätsansprüchen aufgrund besonderer Geistbegabungen wie etwa der Zungenrede. In der Gemeinde sprach man daher auch von πνευματικοί (gesprochen: pneumatikoí), von den Geistäußerungen. Diesen Begriff nimmt Paulusbereits am Beginn des hier vorliegendne Gedankenganges auf:
Auch über die Geistesäußerungen8) möchte ich euch nicht in Unkenntnis lassen, meine Brüder und Schwestern.
Paulus transformiert allerdings den Begriff πνευματικοί in 1 Korinther 12,4 in χάρισμα und findet damit das Leitwort für die folgenden Ausführungen.
Der Begriff χάρισμα (gesprochen: chárisma) ist bei Paulus also vor allem deshalb bedeutsam, um die pragmatische Valenz des πνευματικός (gesprochen: pneumatikós) zu brechen. Πνευματικός leitet sich von πνεῦμα (gesprochen: pneûma) her und bringt damit den Heiligen Geist als unmittelbare und damit unhinterfragbare Ursache der jeweiligen Eigenschaft in Anschlag. Bei χάρισμα hingegen schwingt vor allem χάρις (gesprochen: cháris) mit, die wohlwollend geschenkte Gnade. Der Unterschied mag auf den ersten Blick nicht auffallen. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich die semantische Transformation des Paulus aber als rhetorischer Geniestreich. Während die πνευματικά (gesprochen: pneumatiká) unwillkürlich von Gott her über den Menschen kommen, erscheinen die χαρίσματα (gesprochen: charísmata) als Gaben, die durchaus von Menschen verliehen werden können. Im Römerbrief etwa schreibt Paulus selbst:
Denn ich sehne mich danach, auch zu sehen; ich möchte euch ein wenig mit geistlicher Gnadengabe (χάρισμα πνευματικόν – gesprochen: chárisma pneumatikón) beschenken, damit ihr gestärkt werdet, oder besser: damit wir, wenn ich bei euch bin, miteinadner Zuspruch empfangen durch den gemeinsamen Glauben, euren und meinen.
Paulus erscheint hier als Vermittler des Charismas.
Geist – ganz oder gar nicht
Offenkundig kann man ein Charisma erwerben. Paulus geht es aber um noch mehr. In der schon zitierten Einleitung des Abschnittes aus dem 1. Korintherbrief fällt auf, dass Paulus auf eine biographische Abgrenzung zu sprechen kommt:
Als ihr noch Heiden wart, zog es euch, wie ihr wisst, mit unwiderstehlicher Gewalt zu den stummen Götzen. Darum erkläre ich euch: Keiner, der aus dem Geist Gottes redet, sagt: Jesus sei verflucht! Und keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet.
Der Heilige Geist kennt keine Kompromisse. Es gibt ihn ganz oder gar nicht. Wer auch immer sich auf eine besondere Geistbegabung beruft, dem wird hier der Grund entzogen. Allein die Tatsache, dass Jesus Christus als Herr erkannt und genannt wird, zeigt, dass die so Redenden das im Heiligen Geist tun. In diesem Sinn sind alle Glaubenden πνευματικοί. Jede Berufung auf eine besondere Begabung durch den Heiligen Geist oder eine individuelle Bevorzugung erscheint vor diesem Hintergrund als überhebliche Anmaßung.
Zielorientierung
Die rhetorisch-begriffliche Transformation des Paulus eröffnet eine neue kommunikative Dynamik in den im Hintergrund stehenden gemeindlichen Konflikt. Interessant wird das vor allem, wenn Paulus nicht nur die gemeinsame Herkunft der unterschiedlichen χαρίσματα in dem einen Geist betont:
Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bwirkt alles in allen.
Und weiter:
Das alles bewirkt ein und derselbe Geist; einem jeden teilt er beine besondere Gabe, wie er will.
Darüber hinaus spricht er die einzelnen χαρίσματα auch ausdrücklich an:
Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt. Dem einen wird vom Geist die Gabe geschenkt, Weisheit mitzuteilen, dem andern durch den gleichen Geist die Gabe, Erkenntnis zu vermitteln, einem anderen im gleichen Geist Glaubenskraft, einem andern – immer in dem einen Geist – die Gabe, Krankheiten zu heilen, einem andern Machttaten zu wirken, einem andern prophetisches Reden, einem andern die Fähigkeit, die Geister zu unterscheiden, wieder einem andern verschiedene Arten von Zungenrede, einem andern schließlich die Gabe, sie zu übersetzen.
Das sind nicht irgendwelche Eigenschaften. Es sind die Eigenschaften, die primär der Verkündigung und damit dem Aufbau der Gemeinde dienen. Gemeinde entsteht aus der Verkündigung des Wortes Gottes. Ohne Verkündigung keine Gemeinde. Das genau ist der Impetus, der auch in der lukanischen Pfingsterzählung deutlich wird (vgl. Apostelgeschichte 2,14-42).
Die Gaben der Verkündigung sind vielfältig. Sie ereignen sich in Wort und Tat. Keine Gabe wird dabei bevorzugt. Sie müssen vielmehr organisch miteinander wirken – so wie die Glieder in einem Leib. Es ist bemerkenswert, dass das Bild vom einen Leib mit den vielen Gliedern in 1 Korinther 12,12-27 einen Rahmen hat. So nimmt 1 Korinther 12,28-30 die bereits in 1 Korinther 12,7-10 erwähnten χαρίσματα auf. Der Rahmen macht deutlich, worum es geht. Es geht eben nicht um irgendwelche Begabungen. Es geht um die Gaben der Verkündigung in Wort und Tat, die für die Gemeinde lebenswichtig sind. Es sind eben die Gaben der Prophetie, der Lehre und der Heilung – und der Zungenrede.
Ist das Charisma oder kann das weg?
Obschon die Zungenrede in den beiden Stellen, die das Leib-Bild rahmen, jeweils im Zusammenhang mit den Gaben der Prophetie und Lehre erwähnt wird, bleibt sie merkwürdig außen vor. Trotzdem scheint gerade sie in der korinthischen Gemeinde von hohem Ansehen gewesen zu sein. Paulus wird auf die Zungenrede noch kritisch zu sprechen kommen. In 1 Korinther 14 wird er sie gerade auf ihre Dienstbarkeit hin analysieren:
Jagt der Liebe nach! Strebt aber auch nach den Geistgaben, vor allem nach der prophetischen Rede! Denn wer in Zungen redet, redet nicht zu Menschen, sondern zu Gott; keiner versteht ihn: Im Geist redet er geheimnisvolle Dinge. Wer aber prophetisch redet, redet zu Menschen: Er baut auf, ermutigt, spendet Trost. Wer in Zungen redet, erbaut sich selbst; wer aber prophetisch redet, baut die Gemeinde auf.
Die Zungenrede ist egomanisch. Sie nutzt nichts. Sie dient niemanden. Sie ist letztlich hohl. Sie ist eben Schein, kein Sein, eine spirituelle Show, die der Überhebung des Ichs dient:
So ist es auch mit euch, wenn ihr in Zungen redet, aber kein verständliches Wort hervorbringt. Wer soll dann das Gesprochene verstehen? Ihr redet nur in den Wind.
Sie kann für sich alleine nicht sein, sondern braucht, damit sie nutzen würde, die Gabe der Deutung (vgl. 1 Korinther 14,13). Das ist in sich unsinnig, denn dann könnte der Zungenredner ja direkt klar sprechen. Der Verstand hat den Vorzug vor der Ekstase (vgl. 1 Korinther 14,14-16)9). Deshalb macht die Zungenrede keinen Sinn. Was die Gemeinde braucht, sind Propheten:
Wer in Zungen redet, erbaut sich selbst; wer aber prophetisch redet, baut die Gemeinde auf. Ich wünschte, ihr alle würdet in Zungen reden, weit mehr aber, ihr würdet prophetisch reden. Der Prophet steht höher als der, der in Zungen redet, es sei denn, er übersetzt sein Reden, damit die Gemeinde aufgebaut wird.
Charisma und Profession
Die kritische Distanz des Paulus zur Zungenrede zeigt, dass noch nicht alles Charisma ist, was sich als solches ausgibt. Die Echtheit eines Charismas erweist sich in seiner Tauglichkeit für die Verkündigung. Von hierher erklärt sich auch die Forderung, nach den höheren Gnadengaben zu streben:
Eifert aber nach den höheren Gnadengaben!
Paulus verwendet hier das Verb ζηλοῦν (gesprochen: zeloûn), das wörtlich „sich eifrig bemühen“ bedeutet. Das ist vor allem auf dem Hintergrund bemerkenswert, dass Paulus wenige Verse zuvor in 1 Korinther 12,23-27 den Wert gerade der vermeintlich niedrigen Begabungen hervorhebt10).
Für Paulus gibt es offenkundig keinen Zweifel: jede Begabung benötigt Entwicklung. Es ist wie mit einem außergewöhnlichen Talent, das seine Wirkung erst durch Training entfaltet. Auch die Gnadengaben benötigen eine solche Entwicklung und Ausbildung. Die Grundanlage an sich genügt nicht. Das Studium (als lateinischem Äquivalent zum griechischen ζηλοῦν) ist unerlässlich. Charismenorientierung bringt immer auch Professionalisierung mit sich!
Scouting
Charismen sind mehr als bloße Fähigkeiten oder Hobbies. Die Forderung einer charismenorientierten Pastoral taugt nicht zum Alibi. Sie ist kein Schlagwort, hinter dem sich die konzeptionelle Orientierungslosigkeit pastoraler Suchbewegungen verstecken kann.
Charismenorientierung im biblischen Sinn nimmt die Verkündigung des Wortes Gottes in Wort und Tat in den Blick. Da geht es nicht um persönliche Befindlichkeiten. Auch Berufung ist in diesem Sinn kein Gnadenlos. Propheten und Lehrer werden nicht geboren, sondern bestellt und befähigt. Wenn Charismenorientierung mehr sein soll als ein Schlagwort, braucht es Charismen-Scouts, die gerade nach diesen Fähigkeiten Ausschau halten, sie ausbilden und fördern. Solche Art von Berufung ist höchst konkret. Sie wäre nichts, worum man bittend betend betteln müsste. Das Wort des Paulus gilt immer noch:
Der Glaube kommt aus dem Hören11), das Hören12) aber durch die gesprochenen Worte13) Christi.
Dem Hören geht die gesprochene Verkündigung voraus, die je aktuale Mitteilung des Wortes Gottes. Wer das Wort Gottes teilt, muss es aber selbst kennen. Bibelschulen wären nicht die schlechtesten Orte, an denen Charismen wachsen und gedeihen können. Strebt also nach diesen Gaben!
Bildnachweis
Titelbild: Seifenblasen-Kugel-Hintergrund (lumpi) – Quelle: pixabay – lizenziert als CC0.
Bild 1: Mandelbrot set with coloured environment (Wolfgangbeyer) – Quelle: wikicommons – lizenziert als CC BY-SA 3.0.
Bild 2: Volltreffer 128/366 (Dennis Skley) – Quelle: flickr.com – lizenziert als CC BY-ND 2.0.
Einzelnachweis
1. | ↑ | Vgl. hierzu Markus 4 und die synoptischen Parallelen. |
2. | ↑ | Vgl. hierzu exemplarisch etwa die Hinweise zum pastoreln Zukunftsweg im Erzbistum Köln unter https://www.erzbistum-koeln.de/erzbistum/pastoraler_zukunftsweg/leitgedanken/charismenorientierung/ [Stand: 3. Juli 2017], die Ausführungen der Hauptabteilung Seelsorge im Bistum Münster unter http://www.bistum-muenster.de/index.php?cat_id=13169&myELEMENT=313636 [Stand: 3. Juli 2017] oder die von der Deutschen Bischofskonferenz online präsentierten ergänzenden Hinweise zum Dokument „Gemeinsam Kirche sein“ der Deutschen Bischöfe unter http://gemeinsam-kirche-sein.de/charismen/charismenorientierung-braucht-erfahrung/ [Stand: 3. Juli 2017]. |
3. | ↑ | Als pragmatische oder auch rhetorische Valenz wird hier die Wertigkeit eines Wortes bezeichnet. Dazu gehört auch die Macht eines Wortes, inhaltliche Leerstellen zu öffnen und sie gegebenenfalls gleichzeitig zu besetzen. Die pragmatische Valenz ist von hoher rhetorischer Bedeutung, suggeriert ein Wort mit großer pragmatischer Valenz doch ein Begreifen des vermeintlich Bezeichneten, ohne dass dieses tatsächlich ausgedrückt worden wäre. |
4. | ↑ | Max Weber, Die drei reinen Typen der legitimen Herrschaft, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre (hrsg. v. J. Winckelmann), UTB 1495, Tübingen 19887, S. 475-488, hier: S. 481. |
5. | ↑ | M. Weber, Die drei reinen Typen der legitimen Herrschaft, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre (hrsg. v. J. Winckelmann), UTB 1495, Tübingen 19887, S. 475-488, hier: S. 485. |
6. | ↑ | Vgl. M. Weber, Die drei reinen Typen der legitimen Herrschaft, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre (hrsg. v. J. Winckelmann), UTB 1495, Tübingen 19887, S. 475-488, hier: S. 485. |
7. | ↑ | Vgl. hierzu W.F. Moulton/A.S. Geden, A Concordance to the Greek Testament (according to the Texts of Westcott and Hort, Tischendorf and the English Revisers), Edinburgh 1996, S. 1005. |
8. | ↑ | Das περὶ δὲ τῶν πνευματικῶν sowohl neutrisch auf „Geistäußerungen“ bezogen werden kann, als auch maskulinisch auf die „Geistbegabten“. In letzterem Sinn wird der Begriff von Paulus in 1 Korinther 2,13.15;3,1;14.27 verwendet. Allerdings greift Paulus hier ein Stichwort aus der Anfrage korinthischer Gemeindemitglieder auf. Der spätere Zusammenhang zeigt, dass es vor allem um die Frage geht, ob eher die Zungen- oder die Weisheitsrede zu bevorzugen sei. Der Kontext ist also weniger personalisiert als sachorientiert. Das spricht für an dieser Stelle für eine neutrische Übersetzung. Vgl. hierzu auch Wolfgang Schrage, Der erste Brief an die Korinther (1 Kor 11,17-14,40), EKK VII/3, Neukirchen-Vluyn 2015, S. 117f, sowie Helmut Merklein/Marlies Gielen, Der erste Brief an die Korinther. Kapitel 11,2-16,24, ÖTK7/3, Gütersloh 2005, S. 117f. |
9. | ↑ | In 2 Korinther 5,13 wird Paulus diesen Aspekt geradezu selbstkritisch auf seine eigene Person beziehen. |
10. | ↑ | Er weist in diesem Abschnitt die Überheblichkeit Einzelner nicht ohne eine Portion Ironie in die Schranken, wenn er gerade auf die Ehre jener Glieder des Leibes verweist, denen man am wenigsten Ehre zumisst, die aber bei einer Störung das Wohlbefinden des ganzen Leibes in Mitleidenschaft ziehen. Paulus erwähnt nicht konkret, an welche Glieder und Organe er denkt. Es bedarf hier aber wohl nicht allzu viel Phantasie. |
11. | ↑ | ἐξ ἀκοῆς – gesprochen: ex akoés |
12. | ↑ | ἡ ἀκοή – gesprochen: he akoé |
13. | ↑ | Das hier im griechischen Urtext verwendete Wort ῥήμα (gesprochen: rhéma) bezeichnet vor allem das gesprochene Wort im Unterschied zum Begriff λόγος (gesprochen: lógos), der nicht zwingend den Akzent des Gesprochenen in sich trägt. |
14. | ↑ | Übersetzung Werner Kleine |
Danke für diese nötige Klärung und Erdung!