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Der Gesundheitsatlas der Betriebskrankenkassen zeigt, dass das Brennen für eine Sache zunehmend zum Ausbrennen führen kann – dem Burnout.1) Im vergangenen Jahr waren 15% aller krankheitsbedingten Arbeitsausfälle allgemein auf seelische Erkrankungen zurückzuführen.2) Insbesondere das sogenannte Burnout-Syndrom wird mittlerweile als „Volkskrankheit“ bezeichnet.3) Selbst Kinder geraten mittlerweile durch den alltäglichen Stress in einen Zustand extremer Erschöpfung.4) Das Burnout-Syndrom ist im klassischen Sinne keine Krankheit, sondern ein Problem der Lebensbewältigung. Es handelt sich um eine körperliche, geistige und emotionale Erschöpfung, die durch eine Überbelastung entsteht. Der Stress trifft auf eine verminderte Belastbarkeit und kann nicht mehr bewältigt werden. Man bricht unter der Last zusammen und resigniert wie der Prophet Elija:
Nun ist genug!
Die Bezeichnung „Burnout“ wurde durch den Schriftsteller Graham Greene und durch den amerikanischen Psychologen Herbert Freudenberger in den 1970er Jahren geprägt. In früheren Zeiten wurden unter Priestern und Pastoren das Ausgebrannt-Sein durch die eigene Sendung, die Ermattung durch den alltäglichen Stress bis hin zum Selbstmordgedanken als „Elija-Müdigkeit“ bezeichnet.
Elija kann und will nicht mehr
In 1 Kön 18 ist der Prophet Elija auf dem Höhepunkt seines Erfolgs. Beauftragt von Gott zeigt er die Machtlosigkeit der Propheten des Baal und der Propheten der Aschera auf. Er besiegt sie und beweist König Ahab und dem Volk Israel, dass alleine JHWH ein mächtiger Gott ist. Doch auf den Höhepunkt des Erfolgs erfolgt Elijas persönlicher Tiefpunkt. Er ist in seiner Person zutiefst mit seinem Auftrag verbunden: Er ist der Prophet Gottes. Aber seine Macht ist durch Königin Isebel begrenzt; sie lässt sich von seinen Wundertaten nicht bekehren. Ihre Reaktion führt zum persönlichen Mißerfolg Elijas. Als sie von seinen Taten hört, lässt sie ihm ausrichten:
Die Götter sollen mir dies und das antun, wenn ich morgen um diese Zeit dein Leben nicht dem Leben eines jeden von ihnen [gemeint sind die getöteten Propheten des Baal und der Aschera] gleich mache.
Elijas Triumph endet in einem Todesurteil gegen ihn. Elija hatte für und mit Gott übermenschliches vollbracht, aber es genügte nicht die Königin zur Umkehr zu bewegen. Der Weg vom Himmelhoch-Jauchzend führt in die persönliche Isolation des Zum-Tode-Betrübt. Elija flüchtet in die Abgeschiedenheit der Wüste:
Dort setzte er sich unter einen Ginsterstrauch und wünschte sich den Tod. Er sagte: Nun ist es genug, Herr. Nimm mein Leben; denn ich bin nicht besser als meine Väter.
Das Todesurteil gegen ihn, führt ihn zur Verzweiflung und zum Todeswunsch. Besonders vielsagend ist die Begründung: Er vergleicht sich mit seinen Vorfahren und zeigt damit, dass er seinem hohen Anspruch an sich selbst nicht genügt. Der Anspruch, das leisten zu können, was keiner zuvor geleistet hat, endet in der Selbstaufgabe. Elija ist erschöpft und ausgebrannt:
Dann legte er sich unter den Ginsterstrauch und schlief ein.
Völlig am Boden zerstört, bedarf es einer Stütze, die Elija wieder aufrichtet. In der Erzählung ist es ein Engel, der die göttliche Therapie für Elija beginnt.
Gottes therapeutische Maßnahmen
Kurz nachdem Elija eingeschlafen ist, wird er aus seiner Ruhe aufgeweckt. Es erfolgt aber keine Maßregelung, sondern ein positiver und fürsorgender Befehl:
Doch ein Engel rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss!
Der Engel stärkt Elija mit Brot und Wasser. Zweimal erscheint der Engel und fordert Elija auf sich zu stärken. Der zweiten Aufforderung folgt eine Begründung:
Steh auf und iss! Sonst ist der Weg zu weit für dich.
Dabei handelt es sich nicht um einen neuen Arbeitsauftrag, sondern der Engel schickt Elija weg von seiner Wirkstätte, raus aus dem Königreich, hin zum Gottesberg Horeb. Er verlässt seinen Wirkbereich und wird vom Propheten zum Wanderer. Am Gottesberg angekommen steht der gescheiterte Arbeitnehmer vor seinem Arbeitgeber:
Mit leidenschaftlichem Eifer bin ich für den Herrn, den Gott der Heere, eingetreten, weil die Israeliten deinen Bund verlassen, deine Altäre zerstört und deine Propheten mit dem Schwert getötet haben. Ich allein bin übrig geblieben und nun trachten sie auch mir nach dem Leben.
Der Einzelkämpfer Elija steht vor dem Grund seines Eifers. Er ist sich seiner Sendung bewusst, aber er kann sie nicht mehr bewältigen. Die gesuchte Zuflucht gewährt Gott in einer bemerkenswerten Szene. Er zeigt sich Elija nicht in einer großen Geste, sondern in einem
… sanften, leisen Säuseln.
Gott zeigt sich in einem Akt der Ruhe, den Elija benötigt. Zuvor erstehen vor Elija ein Sturm, ein Erdbeben und Feuer. Aber in keiner dieser gewalttätigen Erscheinungen begegnet ihm Gott. Es ist nicht das Beeindruckende und Bedrückende, in dem Elija seine Stärkung erfährt, sondern es ist das Leise. Die Stärke, mit der sich Gott im Handeln gegen die Propheten des Baal und der Aschera gezeigt hatte, indem das Feuer Gottes die Brandopfer verzehrt hatte (1 Könige 18,38), zeigt sich nun im Unscheinbaren. Das Schwache wird zum Bild Gottes. Diese Fürsorge ist der Ausgangspunkt für die Rückkehr Elijas in seine Tätigkeit als Prophet. Er wird ausgesandt nach Damaskus, um dort Hasaël zum König über Aram zu salben. Von dort soll er zurückkehren in seinen alten Wirkbereich und einen zweiten Auftrag ausführen:
Jehu, den Sohn Nimschis, sollst du zum König von Israel salben und Elischa, den Sohn Schafats aus Abel-Mehola, salbe zum Propheten an deiner Stelle. So wird es geschehen: Wer dem Schwert Hasaëls entrinnt, den wird Jehu töten. Und wer dem Schwert Jehus entrinnt, den wird Elischa töten.
Elija wird wieder zum Werkzeug Gottes, aber dem Einzelkämpfer stellt Gott einen zweiten Propheten, Elischa, zur Seite. Der Prophet ist in seiner Aufgabe nicht mehr allein, ihm wird eine Hilfe zur Seite gestellt.
Elija und das Burnout-Syndrom
Elija ist ein Prophet, das heißt im biblischen Sinne, dass seine Person völlig in seiner Aufgabe aufgeht. Hierbei stoßen seine Kräfte an die Grenzen der eigenen Kompetenz und der Mißerfolg wird zur Krise, die in die Isolierung führt. Er zerbricht auch an dem Bild, das er von sich selbst hat. In dieser Situation äußert Elija den Todeswunsch. Er hat sich aufgegeben und er selbst kann sich nicht mehr helfen. Die Elija-Geschichte entwickelt in dieser erzählten Situation therapeutische Konzepte, wie Traugott Ulrich Schall in seinem Buch „Erschöpft – müde – ausgebrannt“ aufgezeigt hat:5)
1.) Elija darf von der Arbeit ausruhen.
2.) Er erfährt Fürsorge durch Andere.
3.) Er wird in die notwendige Distanz zu seiner Arbeit geführt.
4.) Die Gotteserfahrung bietet ihm eine neue Weltsicht.
5.) Die neuen Aufgaben, die sich ihm stellen, sind schaffbar.
6.) Elija wird nicht alleingelassen, an seiner Seite steht fortan ein Helfer.
Grundlegend wichtig ist hierbei, dass Elija nicht alleingelassen wird. In der selbstgewählten Isolierung, kommt der Engel zu ihm und sendet ihn zu Gott, der Elija ganz entsprechend seiner körperlichen und psychischen Verfassung begegnet. In der Geschichte Elijas zeigt sich, dass das Burnout-Syndrom nicht nur eine simple Modediagnose ist. Vom Leben erschöpft zu sein, ist eine menschliche Erfahrung. Der Mensch gerät in eine Abwärtsspirale der Unfähigkeit das eigene Leben zu bewältigen. Dieser menschlichen Erfahrung kann man nur mit mitmenschlicher Rücksicht und Fürsorge begegnen – die mitmenschliche Verantwortung muss dazu führen, dass man zum Anderen sagt:
Steh auf und iss! Sonst ist der Weg zu weit für dich.
Bildnachweis
Titelbild: „Erloschen.“ von Pfr. Andreas Barth. Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY-SA 2.0.
Bild im Textverlauf: „Der Engel weckt Elias in der Wüste.“ Unbekannter Maler (Haarlem, Anfang des 17. Jahrhunderts). Public Domain. Quelle: www.dorotheum.com.
Einzelnachweis
1. | ↑ | Vgl. „BKK Gesundheitsatlas 2015. Gesundheit in Regionen“, K. Kliner / D. Rennert / M. Richter (Hg.), MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft und BKK Dachverband e.V., 2015 (Stand: 17. Juli 2015). |
2. | ↑ | „BKK-Atlas zeigt düsteres Potenzial der Depressionen“, Kathrin Gotthold, Die Welt, 09.07.2015 (Stand: 17. Juli 2015). |
3. | ↑ | Vgl. „Ausgebrannt, leer, kaputt“, Bernhard Honnigfort, Frankfurter Rundschau, 29.06.2015 (Stand: 17. Juli 2015). An der Technischen Universität Dresden ist im Januar 2015 die bisher weltweit größte Studie zum Burnout-Syndrom gestartet. In den nächstens 12 Jahren werden 10 000 Teilnehmer zwischen 18 und 68 Jahren untersucht, Mehr zu dem Projekt unter: https://burnout-studie.psych.tu-dresden.de. |
4. | ↑ | Vgl. „Alle mal runterkommen“, Christina Berndt, Süddeutsche Zeitung, 11.07.2015 (Stand: 17. Juli 2015). |
5. | ↑ | Vgl. Traugott Ulrich Schall, Erschöpft – Müde – Ausgebrannt. Überforderung und Resignation: vermeiden – vermindern – heilen (Perspektiven für die Seelsorge 8), Würzburg 1993. |
Lieber Till,
der Artikel von Elia und seinem Burnout hat mich ermutigt.
Ich lebe für unseren Herrn Jesus bewusst seit ca 25 Jahren,ich habe mich nach Wien vor 20 Jahren senden lassen,habe mich lange um Obdachlose,Drogensüchtige u Soziale Randgruppen gekümmert.Nach einigen Jahren heiratete ich,meine damalige Frau,sie war jedes unserer 7 Ehejahre mehrere Monate im Spital,Krebs,Psychische Leiden…. ich kümmerte mich ständig um sie.Zugleich hatte ich auch einen “weltlichen Job” wo ich viel mit Menschen arbeitete.War Laienhelfer in Kriseninterventionen…
Vor 5 Jahren kam dann bei mir der völlige Zusammenbruch,Burnout,schwere Depressionen bis hin zu Suizidgedanken.Über Monate konnte ich kaum die Wohnung verlassen,ständige Weinkrämpfe…
Wurde dann Frühpensioniert,heute nach einigen Jahren danach gehts wieder Bergauf.Bin seit kurzen verlobt,hab wieder eine Christliche Gemeinde wo ich mich einbringe.Heute versuche ich mir meine Kraft einzuteilen,ob ich jemals wieder die Power von früher haben werde,weis ich nicht.Aber dafür bin ich menschlich gereift u kann mich mit anderen Schwachen oder Kranken gut identifizieren. Fazit: Du sollst den Herrn,deinen Gott lieben mit allem was du hast und deinen Nächsten wie dich selbst.Darin liegt die Erfüllung aller Gebote. Vergiss weder auf Gott,auch nicht auf deinen Nächsten – aber auch nicht auf dich Selbst !!!
Lieber Roland,
herzlichen Dank für den sehr persönlichen Kommentar, der die Dramatik des Burnout-Syndroms sehr deutlich schildert. Die Elija-Geschichte ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Bibel das menschliche Leben in allen seinen Schattierungen wiederspiegelt. Danke auch für dein prägnantes Fazit, das die Relationen in der Elijah-Geschichte nochmals gut zusammenfasst und die Bedeutung für das alltägliche Leben verdeutlicht.
Liebe Grüße
Till
Lieber Till,
vielen Dank für den tollen Artikel. Die Thematik liegt mir sehr am Herzen. Ich schreibe in meinem Blog um Kollegen im pastoralen Dienst vor dem Ausbrennen zu schützen. Gerne würde ich deinen Artikel auf meiem Blog empfehlen. Ist das für dich in Ordnung?
viele Grüße Benjamin
Lieber Benjamin,
danke für Deinen Kommentar. Ich freue mich sehr, dass Dir der Artikel gefällt. Natürlich kannst Du gerne in Deinem Blog auf den Artikel verweisen.
Beste Grüße
Till
Zu diesem Thema ist auch auch Numeri 11,14-15 eine interessante Stelle: der überforderte Mose.
Warum nutzt man das “antike” Wissen (hier: AT) nicht konsequent und direkt in der Wirklichkeit. Das ist doch viel wirksamer als das psychologische Pseudogeschwätz, das unsere Gesellschaft unterwandert und letztlich ruiniert ?
Vielen Dank für den guten Artikel !
[…] (Dieser Text von mir erschien zuerst auf der Seite http://www.dei-verbum.de unter dem Titel “Burnout – eine „Volkskrankheit“ und ihre biblische Therapie“) […]