Pastoralia

Angst und Furcht Eine Perspektive auf Christen in der Gesellschaft und in der Kirche

Wir leben in Zeiten, in der die Unterscheidung zwischen Angst und Furcht überlebenswichtig ist – das gilt sowohl für die Gesellschaft als auch für die Kirche. In der Angst nimmt sich die Ohnmacht ihren Raum, und macht uns handlungsunfähig. Wir sind verloren – gefangen in einer Angst, die nicht weiß, wovor sie sich ängstigt. Die Alternative dazu ist die Furcht: In ihr gibt es keine Schuld- und Opferdiskurse, sondern sie ist konstruktiv. Sie kreist nicht um sich selbst, sondern der Blick ist zielgerichtet auf die Bedrohung und die Frage nach der geeigneten Antwort stellt sich. Dieser Unterschied ist keine Wortspielerei – sondern eine Frage der christlichen Existenz.

Immer wieder findet sich in der Bibel der Zuspruch: „Fürchte Dich nicht!“. Am Anfang des Buches Deuteronomium fordert Mose das Volk Israel gar auf:

Fürchte dich nicht und hab keine Angst! Deuteronomium 1,21

Das ist der biblische Glauben: Es gibt in der Welt nichts zu fürchten – außer Gott. Das betont das Buch Deuteronomium ebenso:

Du sollst den HERRN, deinen Gott, fürchten. Ihm sollst du dienen, an ihm sollst du dich festhalten, bei seinem Namen sollst du schwören. Er ist dein Lobgesang, er ist dein Gott. Für dich hat er all das Große und Furchterregende getan, das du mit eigenen Augen gesehen hast. Deuteronomium 10,20-21

Gegen heutige oft eindimensionale Gottesbilder mahnt die Bibel von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende davor, dass Gott Schrecken und Barmherzigkeit verbreitet. Die Furcht vor Gott und die ihm gebührende Ehrfurcht prägen die Beziehung des Geschöpfs zu seinem Schöpfer und Erlöser. Und diese Gottesfurcht ist der Beginn der Erkenntnis, wie die israelitische Weisheit lehrt (siehe Sprichwörter 1,7). Sie ist die Entscheidung zu einem guten Leben. Die Stimme eines Weisheitslehrers ruft den Betenden in Psalm 34 zu:

Kommt, ihr Kinder, hört mir zu! Die Furcht des HERRN will ich euch lehren! Psalm 34,12

Der Anfang dieser Lehre ist eine Frage:

Wer ist der Mensch, der das Leben liebt, der Tage ersehnt, um Gutes zu sehen? Psalm 34,13

Auf diese Frage gibt es viele Antworten – die Gottesfurcht ist auf den ersten Blick keine der selbstverständlichen Antwortmöglichkeiten. Doch die Lehre ist eindeutig: Die Freiheit von Furcht führt zur vertrauensvollen Hinwendung zum helfenden und schützenden Gott – das ist die Hoffnung der Gottesfurcht. Und die Gottesfurcht zeigt sich in der Welt nicht durch Frömmigkeitsübungen, sondern im Streben nach dem Guten für die Gemeinschaft. Das bonum commune ist das höchste Ziel:

Bewahre deine Zunge vor Bösem; deine Lippen vor falscher Rede! Meide das Böse und tu das Gute, suche Frieden und jage ihm nach! Psalm 34,14-15

Da Gott parteiisch ist, muss der Mensch sich entscheiden – für das Böse oder das Gute. Es geht um eine Lebensentscheidung, die zu einer radikalen Mission wird. Die Christen sind nicht nur Bürger und Kirchenmitglieder, sondern Friedensjäger und Gutmenschen – wird sind Gottesfürchtige, Getriebene von der Furcht.

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Bildnachweis

Titelbild: Foto von Rodolpho Zanardo von Pexels – Lizenz: gemeinfrei.

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