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Es ist vollbracht. Für die einen sind die schlimmsten Befürchtungen wahr geworden, für andere ist es ein wahrer Segen gewesen. Die Segnung homosexueller Paare, die am 10. Mai 2021 vielerorts in Deutschland stattfand, ist für die Kritiker ein klarer Bruch mit der katholischen Lehre; in rhetorischer Übersteigerung raunen sie sogar von einem Schisma, als handele es sich hier um die Leugnung eines fundamentalen Bestandteils des christlichen Glaubensbekenntnisses. Die Befürworter hingegen sehen einen ersten Schritt der Befreiung aus einem zu Buchstaben erstarrten Glaubens, der kein Leben in Fülle mehr in sich birgt und am Leben der Menschen vorbeigeht. Man kann diskutieren, ob eine Protestaktion der richtige Rahmen für den Segen ist, ob hier nicht die εὐλογία (gesprochen: eulogía), also das gute Wort des Lobens und Dankens1) zur Abrissbirne gemacht wird, mit der man Mauern einreißt, oder ob es schlussendlich zu jenem gesprochenen Wort wird, das tröstet und befreit. Auch muss man fragen, was denn nun danach kommen soll. Wir der Protest eine Steigerung erfahren? Oder sollte man ihn, wie der Kampagnenmanager Erik Flügge empfiehlt2), auslaufen lassen?
Theologischer Realismus
Wo so viele Fragen sind, sollte eigentlich die Stunde der Theologie schlagen, denn eines ist klar: Dass Menschen gleichen Geschlechtes in echter Liebe miteinander verbunden sind, dürfte auch von entschiedensten Gegnern der Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften wohl kaum zu leugnen sein. Da mag man juristische, theologische und exegetische Winkelzüge machen, wie man will – man kommt an dem Faktum an sich nicht vorbei. Es hilft da wenig, auf vermeintlich göttliche Weisungen im Altehrwürdigen3) und Neuen Testament zu verweisen – aus dem Zusammenhang gerissen sind diese Verweise wenig wert, ergibt sich doch bei näherer Betrachtung, dass sich die fraglichen Passagen entweder auf vielfältige sexuelle Ausschweifungen oder andere Laster beziehen, die das soziale Zusammenleben auf das Schlimmste gefährden. In 1 Korinther 6,9-10 etwa ist da neben Götzendienerei, Diebstahl, Habgier, Trunksucht der verantwortungslose Missbrauch von Lustknaben4) „nur“ eine weitere. Wohlgemerkt: Wer dem Alkohol zu viel zuspricht, befände sich damit nicht nur auf derselben Stufe wie Ehebrecher, Gotteslästerer und Räuber, sondern eben auch wie Kinderschänder5)! Darum geht es in der Heiligen Schrift – um die Ermöglichung des Lebens für die, die durch den Lebenswandel anderer eingeengt werden, so dass das „Leben in Fülle“ unmöglich wird.
Andere hingegen sind schnell bei der Hand und wehren jede gleichgeschlechtliche Liebe mit dem Hinweis ab, Gott habe den Menschen doch als Mann und Frau erschaffen. Dabei wird dann gerne auf den sogenannten ersten Schöpfungsbericht verwiesen. Allerdings muss man auch hier einwenden, dass – abgesehen davon, dass das Erschaffen als Mann und Frau an sich ja kein Argument gegen die gleichgeschlechtliche Liebe von Männern und Frauen (als solche sind sie ja erschaffen) sein kann – der Text an sich das auch nicht hergibt. Bei näherer Betrachtung zeigt sich nämlich, dass dort keine Substantive, sondern Adjektive verwendet werden, so dass die Einheitsübersetzung von 2016 grammatikalisch Genesis 1,27 nunmehr übersetzt, der Mensch sei „männlich“ und „weiblich“ erschaffen. Wie bedeutsam diese Neubewertung ist, lässt sich auch im Neuen Testament beobachten, wenn es bei Paulus eine Reihung von Substantiven durch die Adjektive ἄρσεν (gesprochen: ársen – männlich) und θῆλυ (gesprochen: thêly – weiblich) aufgebrochen wird:
Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus.
Ebenso spricht Jesus in offenkundiger Anlehnung an Genesis 1,276):
Habt ihr nicht gelesen, dass der Schöpfer sie am Anfang männlich und weiblich erschaffen hat und dass er gesagt hat: Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden und die zwei werden ein Fleisch sein? Sie sind also nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch.
Das aber lässt Deutemöglichkeiten offen, ist die Ausdrucksweise als solche gerade nicht binär. Im Gegenteil: Sie ist offen für eine skalierende Deutung in dem Sinne, dass jeder Mensch männliche und weibliche Anteile in sich trägt, die sich in dem jeweiligen Individuum unterschiedlich auswirken – bis dahin, dass die biblische Ausdrucksweise sogar offen ist für jene, die sich weder dem einen noch dem anderen Geschlecht zuordnen können. Biblisch würde es sich um androgyne Menschen handeln, die sich in der Mitte der Skala zwischen den Polen „männlich“ und „weiblich“ befänden. Dieser Textbefund korrespondiert auf eigentümlich Weise sogar mit dem zweiten Schöpfungsbericht, wo der Mensch als urtümliche Einheit geschaffen und erst später in eine komplementäre Zweiheit aufgeteilt wird. Als Hauptzweck der Teilung gibt der Text Folgendes an:
Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm ebenbürtig ist.
Es geht primär um ein ebenbürtiges Gegenüber. Das aber findet der Mensch nicht in den Tieren (vgl. Genesis 2,19-20), sondern in einem anderen Menschen. Der zentrale Aspekt hier ist zuerst die Gefährtenschaft, damit der Mensch nicht allein ist. Erst auf dieser Basis kommt die Fruchtbarkeit als zweites Moment ins Spiel. Die ist nur in der Verbindung eines Mannes und einer Frau möglich – keine Frage. Wertet das aber die Gefährtenschaft zweier Männer oder zweier Frauen ab? Kann die Segnung solcher Gefährtenschaften eine Gefahr für die Ehe zwischen Mann und Frau sein? Wer so denkt, denkt zu klein von Gott, den er eher zu einem Popanz der eigenen Welt macht, in der nur sein darf, was der Herr dieser Welt zulässt; der Herr dieser Welt aber ist der, der sie erschafft – und das ist nicht Gott, sondern der, der so denkt!
Von Brettern, die die Welt verdecken
Tatsächlich ist dieses Streben dem Menschen an sich wohl zu eigen. Er ist ja immer der Mittelpunkt seiner eigenen Welt. Das ist unproblematisch, solange er weiß, dass er nur einer von vielen Mittelpunkten ist. Der nächste Mittelpunkt einer Welt wohnt nur eine Haustür weiter, bisweilen aber sogar im gemeinsamen Haushalt. Viele Menschen wissen und erkennen das und relativieren deshalb die eigene Weltsicht. Sie sind in der Lage, eine theory of mind zu entwickeln und sich in die Weltsichten anderer hineinzuversetzen. So erweitern sie den eigenen Horizont. Wo aber dieser Horizont beschränkt ist und die eigene Weltsicht für die ultimativ einzige gehalten wird, vergottet sich der Mensch selbst: Er hält seine Weltsicht für die einzige und damit gottgegebene. Nicht selten begegnet ein solches Verhalten bei den Frommen, die sich ja durch von ihnen für alternativlos gehaltene Lebensführung in einer besonderen Nähe Gottes wähnen. Schon die Propheten des altehrwürdigen Bundes warnten hier, wenn Gott durch sie mahnte:
Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege – Spruch des HERRN. So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken.
Im Neuen Testament geht Jesus sogar in der ihm eigenen, bisweilen im Umgang mit seinen Gegnern recht schroffen Art, weiter, wenn er sagt:
Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden und nach dem Maß, mit dem ihr messt, werdet ihr gemessen werden. Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht? Oder wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen! – und siehe, in deinem Auge steckt ein Balken! Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du zusehen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen!
Heute würde man hier wohl zeitgenössisch besser von jenen Brettern sprechen, die manche vor dem Kopf haben, so dass ihre Sicht auf die Welt, wie sie nun mal ist und offenkundig so von Gott geschaffen wurde, der sah, dass sie gut war und ist, eingeschränkt ist. Offenkundig denkt Gott weiter als es der brettbeschränkte Horizont mancher Eiferer ahnen lässt. Jesus jedenfalls spricht sie als Heuchler an …
Hierarchien
Wie wenig es hilft, sich auf das vermeintlich sichere Fundament einer katechismatisch fixierten Lehre zu berufen, wird nicht nur daran deutlich, dass Päpste imstande sind, den Katechismus zu ändern. Sowohl Benedikt XVI als auch Franziskus haben das schon getan. Der Katechismus ist also veränderbar – zumindest bei jenen Wahrheiten, bei denen der Heilige Geist als göttlicher Geist in Zeit und Raum ein Wörtchen mitzureden hat. So spricht der Kirchenrechtler Gero P. Weishaupt auf die hierarchia veritatum, die „Rangordnung der Wahrheiten“7), wobei er auf das Ökumenismusdekret „Unitatis redintegratio“ des Zweiten Vatikanischen Konzils verweist, in dem es mit Blick auf den ökumenischen Dialog heißt:
„Beim Vergleich der Lehren miteinander soll man nicht vergessen, dass es eine Rangordnung oder ‚Hierarchie‘ der Wahrheiten innerhalb der katholischen Lehre gibt, je nach der verschiedenen Art ihres Zusammenhangs mit dem Fundament des christlichen Glaubens. So wird der Weg bereitet werden, auf dem alle in diesem brüderlichen Wettbewerb zur tieferen Erkenntnis und deutlicheren Darstellung der unerforschlichen Reichtümer Christi angeregt werde.“8)
Zwar verweist Gero P. Weishaupt darauf, dass auch die nachrangigen Wahrheiten zur Gesamtheit der katholischen Lehre gehören; gleichzeitig beinhaltet aber eben eine Rangordnung doch immer auch jene Relativität, die auf eine mögliche Varianz der nachgeordneten Wahrheiten hindeutet: Sollten hier nicht neue theologische Erkenntnisse zu einer Weiterentwicklung der Lehre führen? Und hat es das nicht längst immer wieder gegeben? Die Kirche lehrt doch schon lange nicht mehr, dass Adam und Eva das erste Menschenpaar waren, die Todesstrafe wird nicht mehr als gegeben begründet und gerechte Kriege gibt es nicht mehr; die Erde darf sich um die Sonne drehen (weil sie es einfach so – auch wenn manche Kardinäle und Päpste das anders sahen – immer schon getan hat) und die Demokratie erscheint mittlerweile – bis auf in der Kirche daselbst – als durchaus angemessene Staatsform. Was sind da nicht in der Geschichte für Kämpfe ausgefochten worden, die heute nicht nachvollziehbar erscheinen? Sollten da nicht die Glaubenseiferer in sich gehen und dem Rat des Jakobusbriefes folgen, in dem es heißt:
Jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn; 20 denn der Zorn eines Mannes schafft keine Gerechtigkeit vor Gott.
Visionen
Wie so oft, hilft in solche verfahrenen Situationen ein Blick in die Heilige Schrift. Es ist die Erzählung der Ereignisse um die Taufe des heidnischen Hauptmanns Kornelius, die hier entscheidende Hinweise gibt. Es ist eine Erzählung der steten Horizonterweiterung des Petrus. Der hält sich zum Beginn der erzählten Ereignisse offenkundig in Joppe auf – einem Ort, der heute als Jaffa in der Nähe von Tel Aviv bekannt ist. Bereits aus dem Galaterbrief ist die Wankelmütigkeit des Petrus im Umgang mit den Heiden bekannt. Obschon das Apostelkonzil der antiochenischen Heidenmission den Segen gegeben hatte, bleibt Petrus inkonsequent (vgl. Galater 2,11-21). In der Erzählung von der Taufe des heidnischen Hauptmanns Kornelius (vgl. Apostelgeschichte 10) erscheint er zwar als einer, der seinen Horizont erweitert, so dass ein neues Handeln möglich und die Heidentaufe von ihm sogar initiiert wird; trotzdem schimmert auch in der lukanischen Erzählung eine grundständige anfängliche Skepsis des Petrus durch, der sich an die überlieferten und scheinbar ewigen Regeln, wie sie nun einmal Schwarz auf Weiß niedergelegt sind, hält. Aber der Reihe nach …
Die Erzählung beginnt nämlich nicht mit Petrus. Im Gegenteil: Der Fokus liegt in Apostelgeschichte 10,1-2 auf dem heidnischen Hauptmann Kornelius, dem Centurie der sogenannten „Italischen Kohorte“, bei der es sich um eine Hundertschaft von freigelassenen Sklaven handelte, die zum Zeitpunkt der Erzählung in Caesarea stationiert war. Kornelius wird als „Gottesfürchtiger“ (φοβούμενος τὸν θεόν – gesprochen: phoboúmenos tòn theón) vorgestellt, also als jemand, der mit dem Judentum sympathisiert und ihm nahesteht.
Dieser Kornelius erfährt in einer Vision (vgl. Apostelgeschichte 10,4-6), dass Gott seine Gebete und Almosen annimmt. Dabei aber soll es nicht bleiben. Die Gemeinschaft soll nicht in dieser virtuellen Art bestehen bleiben; sie soll konkret werden. Deshalb soll Kornelius nach Simon Petrus schicken und ihn holen lassen. Dieser Auftrag wird von ihm in Apostelgeschichte 10,7-8 an zwei Haussklaven und einen frommen Soldaten erteilt. Der gesamte erste Abschnitt vermittelt so den Eindruck einer bereits bestehenden frommen Gemeinschaft (die Haussklaven gehören zum οἶκος [gesprochen: oîkos], also zum Haushalt des Kornelius, in dessen weiterer Sphäre sich wohl auch der fromme Soldat befindet).
Der Erzählstrang unterbricht hier – sowohl lokal als auch temporal: Am darauffolgenden Tag begibt sich Petrus in Joppe um die sechste Stunde auf das Dach, um zu beten und zu essen (vgl. Apostelgeschichte 10,9-10). Es ist also Mittag; die Sonne steht im Zenit. Ob das, was sich nun zuträgt, eine Folge der mittäglichen Hitze ist, oder eine göttliche Eingebung, bleibt offen. In jedem Fall widerfährt dem Petrus eine rätselhafte Vision:
Er sah den Himmel offen und eine Art Gefäß herabkommen, das aussah wie ein großes Leinentuch, das, an den vier Ecken gehalten, auf die Erde heruntergelassen wurde. Darin waren alle möglichen Vierfüßler, Kriechtiere der Erde und Vögel des Himmels. Und eine Stimme rief ihm zu: Steh auf, Petrus, schlachte und iss! Petrus aber antwortete: Niemals, Herr! Noch nie habe ich etwas Unheiliges und Unreines gegessen. Da erging die Stimme ein zweites Mal an ihn: Was Gott für rein erklärt hat, nenne du nicht unrein! Das geschah dreimal und sogleich wurde das Gefäß in den Himmel hinaufgenommen.
Petrus kann die Vision nicht deuten. Er ist verhaftet in seinem gewohnten Denken: Unheilige und Unreines darf man nicht essen. Das ist Sünde! Niemals wird er so etwas tun! Die himmlische Stimme aber mahnt ihn:
Was Gott für rein erklärt hat, nenne du nicht unrein!
Gottes Denken überschreitet offenkundig die vermeintlich sichere Tradition. Gott sagt, was Sünde ist, kein Mensch! Auch Petrus nicht!
Horizonterweiterung
Zwei Visionen stehen am Beginn der Erzählung von der Taufe des heidnischen Hauptmanns Kornelius. Der Heide versteht, der Fromme rätselt. Selbst die göttliche Deutung hilft ihm nicht weiter. Er ist gefangen in seinen Traditionen und kann die neue Realität noch nicht sehen. Er braucht offenkundig noch Nachhilfe, um seinen noch beschränkten Horizont zu erweitern. In dieser Situation treffen die Abgesandten des Hauptmanns treffen und berichten dem Petrus von den Ereignissen in Caesarea. Fast unbemerkt bleibt hier, dass Petrus die erste Grenze überschritten hat: Er spricht mit Heiden und bewirtet sie. Anders als bei dem antiochenischen Zwischenfall, isst sogar offen mit ihnen, bevor sich die Gruppe auf den Weg nach Caesarea macht:
Da ließ er sie eintreten und nahm sie gastlich auf. Tags darauf machte er sich mit ihnen auf den Weg und einige Brüder aus Joppe begleiteten ihn.
In Caesarea angekommen unterwirft sich der heidnische Hauptmann, der doch eigentlich Teil der Besatzungsmacht ist, dem Petrus. Er anerkennt damit die geistliche Autorität des Petrus. Der aber stellt unumwunden und in einer Weise fest, die sich alle religiösen Autoritäten nur als Merkzettel vor die Stirn halten sollten:
Auch ich bin nur ein Mensch.
Dann aber kommt der entscheidende Wendepunkt, der Moment, in dem dem Petrus die Augenaufgehen, jener Augenblick, in dem es ihm wie Brettern von dem Kopf fällt und sein Horizont erweitert wird:
Ihr wisst, dass es einem Juden nicht erlaubt ist, mit einem Nichtjuden zu verkehren oder sein Haus zu betreten; mir aber hat Gott gezeigt, dass man keinen Menschen unheilig oder unrein nennen darf.
Man darf keinen Menschen unheilig oder unrein nennen – heißt: Man darf Menschen der Sünde zeihen! Das ist die neue Regel, die Petrus lernt, denn:
Darum bin ich auch ohne Widerspruch gekommen, als nach mir geschickt wurde.
Man kann es nicht oft genug sagen!
Noch einmal werden nun summarisch die Ereignisse zusammengefasst. Kornelius berichtet von seiner Vision. Und Petrus wiederholt seine Erkenntnis. Offenkundig kann man es nicht oft genug sagen:
Wahrhaftig, jetzt begreife ich, dass Gott nicht auf die Person sieht, sondern dass ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist.
Jeder ist willkommen, der Gott fürchtet und tut, was recht ist. Was aber recht ist, lehrt Petrus in einer Art Katechese:
Er hat das Wort den Israeliten gesandt, indem er den Frieden verkündete durch Jesus Christus: Dieser ist der Herr aller. Ihr wisst, was im ganzen Land der Juden geschehen ist, angefangen in Galiläa, nach der Taufe, die Johannes verkündet hat: wie Gott Jesus von Nazaret gesalbt hat mit dem Heiligen Geist und mit Kraft, wie dieser umherzog, Gutes tat und alle heilte, die in der Gewalt des Teufels waren; denn Gott war mit ihm. Und wir sind Zeugen für alles, was er im Land der Juden und in Jerusalem getan hat. Ihn haben sie an den Pfahl gehängt und getötet. Gott aber hat ihn am dritten Tag auferweckt und hat ihn erscheinen lassen, zwar nicht dem ganzen Volk, wohl aber den von Gott vorherbestimmten Zeugen: uns, die wir mit ihm nach seiner Auferstehung von den Toten gegessen und getrunken haben. Und er hat uns geboten, dem Volk zu verkünden und zu bezeugen: Dieser ist der von Gott eingesetzte Richter der Lebenden und der Toten. Von ihm bezeugen alle Propheten, dass jeder, der an ihn glaubt, durch seinen Namen die Vergebung der Sünden empfängt.
Das ist die zentrale Wahrheit. Das ist die höchste Wahrheit. Das ist das Fundament des christlichen Glaubens. Wer daran zweifeln würde, würde den Bruch herbeiführen. Zu dieser zentralen Wahrheit aber gehört eben – und das steht nicht ohne Grund am Ende – die Vergebung der Sünden, also die Aufhebung der Trennung zwischen Menschen und Gott. Hier aber trifft der Satz Jesu ins Mark, wenn er mahnt:
Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten.
Das ist – bei näherer Betrachtung – keine Ermächtigung zu Willkür, sondern eben eine Mahnung: Wem ihr die Sünden behaltet, den trennt ihr von Gott! Ihr steht zwischen ihm und Gott. Es ist aber die Sünde, die Mensch und Gott trennt. Werden also die, die anderen die Sünde behalten, nicht zur trennenden Ursache und mithin selbst zur Sünde?
Gott segnet!
Auch das kann nicht oft genug gesagt werden: Gott ist der alleinige Urheber des Segens. Und Gott segnet. Er segnet die, von denen Petrus glaubte, sie seien unheilig und unrein:
Noch während Petrus dies sagte, kam der Heilige Geist auf alle herab, die das Wort hörten. Die gläubig gewordenen Juden, die mit Petrus gekommen waren, konnten es nicht fassen, dass auch auf die Heiden die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen wurde. Denn sie hörten sie in Zungen reden und Gott preisen.
Gott sind die Regeln menschlicher Normen offenkundig egal, wenn es um das Leben geht. Petrus jedenfalls ist so konsequent, seine Schlüsse aus der Horizonterweiterung zu ziehen und sein Verhalten zu ändern:
Petrus aber sagte: Kann jemand denen das Wasser zur Taufe verweigern, die ebenso wie wir den Heiligen Geist empfangen haben? Und er ordnete an, sie im Namen Jesu Christi zu taufen. Danach baten sie ihn, einige Tage zu bleiben.
Später wird er sich in Jerusalem für seine Entscheidung rechtfertigen müssen (vgl. Apostelgeschichte 11,1-18). Wo das Neue von Gott kommt, brauchen Menschen Zeit theologischen Erkennens. Dabei ist Gott schon längst weiter. Wann endlich erkennen die Menschen, dass sie nicht Gott, sondern Gott sie geschaffen hat. Niemand sollte sich überhöhen. Und jede neue Erkenntnis bedarf der theologischen Reflexion und des Ringens. Gerungen aber muss werden – um der Wahrheit willen. Wenn Gott aber segnete, dürfen Menschen den Segen nicht verwehren. Es ist also Zeit für Neues – wieder einmal! Wenn Petrus das schaffte, sollten die, die ihre Autorität auf ihn zurückführen, ihm da in nichts nachstehen …
Bildnachweis
Titelbild: Zaun und Horizont (anonymus) – Quelle: pxhere – lizenziert als CC0.
Bild 1: Petrus tauft den Hauptmann Cornelius (Alberto Carlieri) – Quelle: Wikicommons – lizenziert als gemeinfrei
Einzelnachweis
1. | ↑ | Vgl. hierzu Till Magnus Steiner, Aus Dankbarkeit segnen. Alttestamentliche Überlegung zu #mutwilligSegnen, #liebegewinnt, Dei Verbum, 3.5.2021 – https://www.dei-verbum.de/aus-dankbarkeit-segnen/ [Stand: 9. Mai 2021]. |
2. | ↑ | Siehe hierzu Erik Flügge, Segnungen homosexueller Paare, Den Protest auslaufen lassen, katholisch.de, 8.5.2021 – https://www.katholisch.de/artikel/29768-segnungen-homosexueller-paare-den-lauten-protest-auslaufen-lassen [Stand: 9.5.2021]. |
3. | ↑ | Die Einführung des Begriffs „Altehrwürdiges“ Testament ist ein Vorschlag bzw. ein Versuch dem Vorurteil zu begegnen, das sogenannte „Alte Testament“ sei durch das Neue Testament überholt oder relativ zum Neuen Testament gesehen niedriger einzustufen. Bisherige Lösungsversuche wie „Erstes Testament“ lösen dieses Problem nicht wirklich, weil auch ein „Zweites Testament“ das erste ja ablösen würde. Vielmehr ist das Neue Testament aus christlicher Sicht ein Zusatz zum sogenannten „Alten Testament“. Der Begriff „Altehrwürdig“ soll die bleibende Bedeutung und Ehrwürdigkeit unterstreichen. |
4. | ↑ | In 1 Korinther 6,9-10 etwa verwendet der griechische Text das Wort ἀρσενοκοῖται (sprich: arsenokoîtai) – wörtlich: Männerbeischläfer. Zur Bedeutung des Wortes siehe: W. Schrage, Der erste Brief an die Korinther (1 Kor 1,1-6,11), Evangelisch-Katholischer Kommentar zum Neuen Testament (EKK) VII/1, Zürich 1991, S. 432. |
5. | ↑ | Vgl. hierzu Werner Kleine, Freundschaft ist der Weg. Oder: Mit Gottes Wort über Mauern springen, Dei Verbum, 2.6.2015 – https://www.dei-verbum.de/freundschaft-ist-der-weg/ [Stand: 9.5.2021], insbesondere das Kapitel „Veto!“ – https://www.dei-verbum.de/freundschaft-ist-der-weg/#scrollNav-7 [Stand: 9.5.2021]. |
6. | ↑ | Vgl. hierzu Werner Kleine, Mensch, Adam!. Ein neuer Blick auf die biblische Anthropologie, Die Verbum, 18.6.2019 – Quelle: https://www.dei-verbum.de/mensch-adam/ [Stand: 10. Mai 2021]: „Da ist nicht nur nicht von Fruchtbarkeit die Rede; die Ein-Fleisch-Werdung ist ein Wert an sich. Die Schöpfung des Menschen als männlich und weiblich hingegen wird durch die Konjunktion καί (gesprochen: kaí – „und“) von der Aussage über die Zusammenkunft von Mann und Frau getrennt. Es geht hier um zwei Aspekte des Menschseins: der männlich-weiblichen Ausrichtung auf der einen und der Verbindung von Mann und Frau auf der anderen Seite. Das eine ermöglicht das andere, ist aber nicht mit ihm identisch.“ |
7. | ↑ | Vgl. hierzu Gero P. Weishaupt, Dreifaltigkeit und Ablass oder „die Hierarchie der Wahrheiten“, kathnews.de, 13.6.2015 – Quelle: https://www.kathnews.de/dreifaltigkeit-und-ablass-oder-die-hierachie-der-wahrheiten [Stand: 9. Mai 2021]. |
8. | ↑ | Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret Unitatis Redintegratio über den Ökumenismus, 21.11.1964, Nr. 11 – Quelle: https://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_decree_19641121_unitatis-redintegratio_ge.html [Stand: 10. Mai 2021]. |