Während die einen mit erhobenem Zeigefinger die Schule schwänzen, diskutieren die anderen, ob dies eine gerechtfertigte Form des zivilen Ungehorsams ist. Und die Antwort ist: Nein, es geht nicht darum, sondern um das Klima – aber das könnte man ja bei aller Aufregung fast vergessen. Was wäre es für ein Fanal, wenn sich die Zukunft der Gesellschaft in ihrer Freizeit für die Rettung der Welt engagieren würde! Was für ein Zeichen des Aufbruchs, wenn die Führer der Gesellschaft sich an die selbstgesetzten Ziele des Pariser Klimaabkommens halten würden! Es ist an der Zeit zu herrschen! Macht Euch die Erde untertan! Kurzum:
… füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen!
Der biblische Auftrag lässt keinen Zweifel zu: Wir sollen raus in die Welt gehen und sie „niedertreten“, „unterwerfen“ und „erniedrigen“ – das ist das Bedeutungsspektrum des verwendeten hebräischen Wortes (כִּבֵּשׁ, gesprochen: kibesch). Und die Tiere sollen wir „beherrschen“, „niedertreten“ und „unterdrücken“ – so könnte man den letzten Auftrag dieses Verses, der mit dem hebräischen Wort רָדָה (gesprochen: rada) formuliert ist, übersetzen. Beiden Wörtern ist die Konnotation „treten“ gemeinsam. So heißt es in einem Kommentar aus dem Jahr 1934: „… dem Menschen [ist] die uneingeschränkte Herrschaft über den Weltkörper Erde verliehen, deshalb kann keine Arbeit an ihr, z.B. Durchbohrung oder Abtragung von Bergen, Austrocknen oder Umleiten von Flüssen u. dgl., als gottwidrige Vergewaltigung bezeichnet werden.“ Im blinden Wirtschaftswachstum und im gierigen Wohlstandkonsum die Schöpfung niederzutrampeln, wird wahrscheinlich nicht der Wunsch des Schöpfers gewesen sein, dessen Ebenbild der Mensch ist. Jedoch lässt sich die gewalthafte Konnotation beider Befähigungen nicht leugnen. Die Erde liegt den Menschen zu Füssen. Die entscheidende Frage ist nun jedoch, ob die Herrschaft der Geschöpfe auf Kosten der Schöpfung, deren Teil sie ist, bestehen kann.
Du [Gott] hast ihn [den Menschen] als Herrscher eingesetzt über die Werke deiner Hände, alles hast du gelegt unter seine Füße.
Schon im Alten Orient war die Niederwerfung von Feinden zu den Füßen des Königs – oder unter sie – eine Darstellung der Macht und des Sieges. Häufig sind dabei die unterworfenen Völker mit auf den Rücken gefesselten Händen dargestellt. Aber es gibt auch eine andere Darstellung: Unter dem persischen König Darius I. werden die Völker, die er unterworfen hat, mit erhobenen Händen dargestellt. Sie stützen seine Herrschaft. Nur wenn die Menschheit die Schöpfung als das Fundament ihres Wohlstands anerkennt, wird ihre Herrschaft fortdauern. Der Mensch muss zum Ebenbild des Schöpfers und nicht zum Zerstörer werden. Als Gott sich dazu entscheidet, den Menschen zu schaffen, verwendet er ebenso wie in Genesis 1,28 das Wort רָדָה und definiert die ermöglichte Gewaltausübung durch den Menschen in Beziehung eben zu sich selbst, dem Lebensspender der Schöpfung.
Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Bild, uns ähnlich! Sie sollen walten [וְיִרְדּוּ] über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere, die auf der Erde kriechen.
Inmitten seines himmlischen Hofstaates entschließt sich Gott, jemanden zu schaffen, der ihn in der geschaffenen Welt repräsentiert. Der Mensch ist Gottes צֶלֶם (gesprochen: zäläm). Das heißt: Er ist die lebendige Statue, die den Schöpfer in seiner Schöpfung verkörpert. Der Mensch repräsentiert ihn und ist als lebendiges Wesen ein Mandatsträger Gottes: Herrsche so, wie ein Leben ermöglichender Schöpfer!
Dieser Beitrag erscheint zeitgleich auf der Seite des neuen Bibelprojektes “In Principio” des Erzbistum Köln: www.in-principio.de
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