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conditio humana·Ethica

Die Hautfarbe wird zur Kritik #BlackLivesMatter: Mose und die Kuschiterin


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Videos von weißen Polizisten, die in den USA unbewaffnete, afroamerikanische Mitbürger erschießen, verbreiten sich in letzter Zeit nahezu wöchentlich viral in den Sozialen Netzwerken. Amerikanische Polizisten erschossen 2015 insgesamt 102 unbewaffnete Afroamerikaner.1) Eine Hautfarbe darf kein Anlass sein, die Würde und den Wert eines Menschen zu mindern. In Deutschland schürt der CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer bewusst die Angst vor afrikanischen Wirtschaftsflüchtlingen, ohne ihren Wert als Menschen und für die Gesellschaft anzuerkennen: „[..] das Schlimmste ist ein fußballspielender, ministrierender Senegalese, der über drei Jahre da ist – weil den wirst Du nie wieder abschieben. Aber für den ist das Asylrecht nicht gemacht, sondern der ist Wirtschaftsflüchtling.“2) In dieser Aussage geht es nicht darum, ob Wirtschaftsflüchtlinge ein Recht haben Asyl in Europa zu beantragen. Über diese Frage kann man sachlich diskutieren. Andreas Scheuer aber wählt bewusst3) als Beispiel einen „Schwarzafrikaner“4), jemanden aus den afrikanischen Ländern südlich der Sahara und betont damit auch den äußerlichen „Fremdheitsaspekt“.

Die Kuschiterin

Rassismus aufgrund der Hautfarbe ist kein Phänomen der Moderne, sondern darin drückt sich die irrationale Angst des Menschen vor dem Fremden aus. Eine Hautfarbe ist nicht mehr und nicht minder als einfach eine Hautfarbe und sie kann nicht einfach abgelegt werden – siehe dazu „Die Bedeutung der Hautfarbe in der Bibel“. Auch in der Bibel kann die Hautfarbe für das Fremde stehen, gegen das sich ein Widerwort erhebt. Gemäß dem Buch Numeri hatte Mose eine Kuschiterin als Frau und dies wurde für seine Geschwister Mirjam und Aaron zum Stein des Anstoßes:

Als sie in Hazerot waren, redeten Mirjam und Aaron über Mose wegen der kuschitischen Frau, die er sich genommen hatte. Er hatte sich nämlich eine Kuschiterin zur Frau genommen. Numeri 12,1

Mose hat eine Kuschiterin geheiratet – auch seine erste Frau Zippora war eine Nicht-Israelitin (siehe Exodus 2,21), sie stammte aus Midian. Die Septuaginta, die griechische Übersetzung der Hebräischen Bibel identifiziert das Land Kusch mit Äthiopien. Im Hebräischen ist jedoch wahrscheinlich mit diesem Namen die Region des heutigen Sudan gemeint bzw. der Begriff „Kuschiter“ benennt die Nubier, die in der damaligen Zeit u.a. im südlichen Ägypten siedelten und zwischen 712 und 671 v. Chr sogar über ganz Ägypten herrschten. Ihr äußerliches Merkmal war ihre schwarze Haut, die im Buch Jeremia gar sprichwörtlich geworden ist:

Ändert wohl ein Neger seine Hautfarbe oder ein Leopard seine Flecken? Jeremia 13,23

Die Wiedergabe in der Einheitsübersetzung von 1978 ist denkbar schlecht. Das Wort „Neger“ ist eng mit dem Kolonialismus, der Sklaverei und der Rassentheorie verbunden und wird in der heutigen Umgangssprache als rassistische und abwertende Bezeichnung einer Person verwendet. Die neue Einheitsübersetzung schreibt stattdessen entsprechend dem hebräischen Text „Kuschiter“ (כּוּשִׁי , gesprochen: kuschi). Das hervorstechende äußere Merkmal der Kuschiter war ihre Hautfarbe und es ist davon auszugehen, dass der Aufruhr Mirjams und Aarons gegen die zweite Frau Moses von der durch die Hautfarbe erkennbaren „Andersartigkeit“ herrührt.

Der Kritikpunkt

Der Text betont bewusst zweimal innerhalb des ersten Verses, dass Mose eine Kuschiterin geheiratet hat und markiert damit bewusst den Kritikpunkt – allerdings geht es in der folgenden Rede Mirjams und Aarons um etwas ganz Anderes: das Prophetenamt Moses.

Sie sagten: Hat etwa der Herr nur mit Mose gesprochen? Hat er nicht auch mit uns gesprochen? Das hörte der Herr. Numeri 12,1

Plötzlich scheint die Erzählung ein ganz anderes Thema zu behandeln. Im Folgenden redet Gott zu Mirjam und Aaron und bekräftigt das besondere Amt Mose. Er ist nicht nur ein Prophet, sondern Gottes Knecht, dem er sein ganzes Haus anvertraut hat. Eine mögliche Erklärung für den plötzlichen Themenwechsel ist die Annahme, dass ein Redaktor den Text überarbeitet hat und die Thematik Moses Prophetentum in Verse 2-9 sekundär eingefügt hat. Für eine solche Leseweise spricht der Umstand, dass im Folgenden nur Mirjam bestraft wird, obwohl Mirjam und Aaron gemeinsam gegen Mose gesprochen haben. Diese Vermutung passt zu einer grammatikalischen Auffälligkeit in Vers 1: hier bezieht sich das Verb im Singular nur auf Mirjam und Aaron ist ohne Bezug nur angefügt – wörtlich heißt es in Vers: […] und es sprach Mirjam – und Aaron – über/gegen Mose […]. So könnte man annehmen, dass es zuerst nur eine Erzählung über Mirjam gab (Verse 1.9*.10b-15), die dann ergänzt wurde. Auffallend ist, dass die Strafe, die Mirjam widerfährt, sie in starken Kontrast zur Kuschiterin setzt:

Kaum hatte die Wolke das Zelt verlassen, da war Mirjam weiß wie Schnee vor Aussatz. Aaron wandte sich Mirjam zu und sah: Sie war aussätzig. Numeri 12,10

Durch das Widerwort gegen die schwarze Kuschiterin lässt Gott Mirjam krankhaft weiß werden – wodurch ihre eigene Hautfarbe zum Makel wird. Aber auch wenn Verse 2-9 auf den ersten Blick zwischen dieser engen Verbindung stören, stehen sie doch – selbst wenn man der genannten Redaktionstheorie folgt – bewusst an dieser Stelle. Inwiefern ist also die Heirat Moses mit einer Kuschiterin problematisch in Bezug auf sein Prophetenamt? In den Worten Mirjams und Aaron weisen sie daraufhin, dass Gott nicht nur exklusiv mit Mose gesprochen hat, sondern auch mit Ihnen. In Exodus 15,20-21 wird Mirjam sogar als Prophetin bezeichnet. Betrachtet man nur die Worte Mirjams und Aarons lesen sie sich als Kritik am Anspruch und der Autorität Moses. Aus dem Widerstand gegen die Kuschiterin erwächst somit die Kritik an der Autorität – aus dem Rassismus ersteht die Systemkritik.

Gottes Urteil

Weder die Kuschiterin noch Mose geben einen Anslass für Mirjams und Aarons Kritik. Gott stellt sich ihnen entgegen:

Hört meine Worte! Wenn es bei euch einen Propheten gibt, so gebe ich mich ihm in Visionen zu erkennen und rede mit ihm im Traum. Anders bei meinem Knecht Mose. Mein ganzes Haus ist ihm anvertraut. Mit ihm rede ich von Mund zu Mund, von Angesicht zu Angesicht, nicht in Rätseln. Er darf die Gestalt des Herrn sehen. Warum habt ihr es gewagt, über meinen Knecht Mose zu reden? Numeri 12,6-8

In dem Gotteswort wird indirekt Mirjams und Aarons besonderer Status als Propheten hervorgehoben, dem jedoch Mose als Knecht Gottes übergeordnet ist. Aber Gott verurteilt nicht nur ihre Worte, sondern macht es ihnen auch zum Vorwurf, dass sie „über/gegen“ seinen Knecht Mose geredet haben. Diese vorwurfsvolle Frage nimmt die Formulierung aus Vers 1 auf, dergemäß sie „über/gegen Mose wegen der kuschitischen Frau“ gesprochen hatten. Gott verurteilt den Rassismus Mirjams und Aarons.

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Einzelnachweis   [ + ]

1. Siehe die Statistik auf Mapping Police Violence [Stand: 30. September 2106]. Dieser prekären Entwicklung stellt sich die Bewegung „Black Lives Matter“ entgegen. Der Name der Bewegung wurde oft als rassistisch kritisiert – eigentlich sollte es heißen „All Lives matter“. Aber, so argumentiert einer der Aktivisten, „if there’s a subdivision and a house is on fire…the fire department wouldn’t show up and put water on all the houses because all houses matter, they would show up and turn on their water on the house that was burning because that’s the house that needs help the most” („wenn in einer Wohnsiedlung ein Haus brennt, würde die Feuerwehr nicht alle Häuser mit Wasser löschen, weil alle Häuser zählen. Sie würde ihr Löschwasser auf das Haus richten, das brennt, denn das ist das Haus, das die Hilfe am meisten benötigt“). Macklemore & Ryan Lewis sampelten diese Aussage in ihrem Lied „White Privilege II“, hier zitiert aus dem Wikipedia-Artikel „Black Lives Matter“ [Stand 30. September 2016].
2. Was Andreas Scheuer tatsächlich gesagt hat“, SPIEGEL Online, 20.09.2016 [Stand: 30. September 2016].
3. Siehe „Worte schaffen was“, Die Verbum [Stand: 30.September 2016].
4. Der Begriff Schwarzafrikaner ist problematisch, da die Hautfarbe hier zur Fremdbezeichnung verwendet wird.
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1 Reply

  1. Ich finde es super,zu erkennen, dass Mirjams Aussatz einen Grund hatte. Sie lästerte über eine Situation, die sie erstens nichts anging und zweitens aus Angst.
    Genau wie es heute jeden Tag geschieht. Das Bewusstsein, es könnte auch mich treffen und Gott lässt eine Krankheit od.ähnl. über mich kommen, lässt mich erkennen wie schnell etwas Dummes, Unüberlegtes gesagt ist.
    Upps!