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Als Sankt Martin geisterte Martin Schulz Anfang des Jahres durch die Medien. Auf dem Titelbild des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ war er mit einem Heiligenschein dargestellt. Das Bild ging viral, der Untertitel dazu ging unter. Er lautete „Der Machthunger des Kandidaten Schulz“1). Das Hoffnungsbild faszinierte und in der Euphorie wurde nach Inhalten nicht gefragt. Der SPD-Kanzlerkandidat war ein Sankt Martin, ohne einen Mantel geteilt zu haben2) – und so endete die Überhöhung in der Entzauberung. Im Mai bereits gab es einen neuen Heiland. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ zeigte den neuen Präsidenten Frankreichs, Emmanuel Macron ebenso mit einem Heiligenschein und titulierte: „Der Heiland“.3) Darin zeigt sich nicht nur ein Stilmittel bestimmter Medien, sondern es zeigt sich darin auch die Hyperpersonalisierung von Politik, hinter der die Themen zurücktreten.4) Aber in der Politik gibt es keinen rettenden Erlöser, sondern es gibt Themen, Reformen und Diskurse, die im demokratischen Prozess zum Wohl aller beitragen sollen. Der Politiker ist kein Idol, sondern ein dem Gemeinwohl dienender Volksvertreter. Selbst König David, der größte Politstar des Alten Testaments war nur ein Beamter Gottes und diente dem Volk.
Ideal
Der Glanz Davids färbt im Neuen Testament selbst auf Jesus ab. Er ist ein Nachkomme Davids und als Sohn Davids wird er als Retter und Erlöser seines Volkes proklamiert. David war der König, an dem sich alle späteren Könige zu messen hatten. Das Urteil der Königebücher über die Könige Israels und Juda fällt sehr negativ aus und nur wenige werden positiv beurteilt; zum Beispiel Hiskija:
Genau wie sein Vater David tat er, was dem HERRN gefiel.
David ist das Ideal, auf das sich die Hoffnung bezieht. Im Buch Hosea wird lange nach dem Tod Davids die Umkehr Israels als eine Umkehr zu Gott und zu David verheißen:
Danach [gemeint ist das Exil – T.M.S.] werden die Söhne Israels umkehren und den HERRN, ihren Gott, suchen und David, ihren König.
Die Hoffnung richtet sich auf einen neuen David, einen David revididus. Doch bereits an der Wurzel der späteren Glorifizierung findet sich der mahnende Zeigefinger gegen die Überhöhung.
Wirklichkeit
Gott verspricht König David in der sogenannten Natanverheißung eine ewige Dynastie. Die Nachfahren Davids werden durch Gottes Gnaden fest auf dem Davidsthron sitzen.5)
Dein Haus [, David, – T.M.S.] und dein Königtum werden vor dir auf ewig bestehen bleiben; dein Thron wird auf ewig Bestand haben.
Zur erzählten Zeit, als diese Verheißung an David ergeht, ist er bereits unangefochtener König und thront in seinem Palast in Jerusalem. Er beabsichtigt einen Tempel für Gott zu bauen und dieses Vorhaben wird von seinem Berater, dem Propheten Natan gutgeheißen:
Geh nur und tu alles, was du im Herzen hast; denn der HERR ist mit dir.
Gott stand David bei seinem Aufstieg zum König bei6) und so schließ Natan daraus, dass Gott alle Vorhaben Davids unterstützen werde. Allerdings fällt die Antwort Gottes nicht positiv aus. Harsch wird er zurückgewiesen. An Natan geht ein Gotteswort für David, in dessen ersten Worten bereits Gott das Verhältnis zwischen dem König und ihm definiert. David wird von Gott als „mein Knecht“ (auf Hebräisch: עבדי, gesprochen avdi) tituliert. David wird Gott deutlich als seinem Herrn untergeordnet. David soll nicht das tun, wonach es ihm beliebt, sondern er soll dem Willen Gottes entsprechen. Zugleich wohnt dem Knechtstitel eine Spannung inne: Einerseits drückt er eine klare Unterordnung des Königs unter Gott aus, zugleich zeigt die Verwendung dieses Titels vor allem im Buch der Psalmen, dass der Knecht Gottes der Verheißungsträger Gottes ist. Unterordnung und Ehre gehen somit Hand in Hand.
Bevor Gott David die Zusage des fortdauernden Bestands seiner Dynastie gibt, verdeutlicht er durch eine Geschichtsrückschau, dass die Position Davids kein persönlicher Verdienst, sondern das Werk Gottes ist.
Ich habe dich von der Weide und von der Herde weggeholt, damit du Fürst über mein Volk Israel wirst, und ich bin überall mit dir gewesen, wohin du gegangen bist. Ich habe alle deine Feinde vor deinen Augen vernichtet […].
Die Verdienste Davids sind auf Gott zurückzuführen und das Volk des Königs ist eigentlich Gottes Volk, über das David nur als נגיד (gesprochen nagid) eingesetzt ist. Dieses Amt ist kein Ehren- sondern ein Dienstamt. David ist Gottes Beamter, eingesetzt über das Volk Gottes. Er dient dem Volk im Auftrag Gottes und die Ehre Davids ergibt sich aus seinem Dienst am Volk für Gott. Dies zeigt sich deutlich an der Parallelität der folgenden Verheißungen: Gott wird David einen großen Namen machen und Gott wird dem Volk Frieden verschaffen.
und ich werde Dir [, David, – T.M.S.] einen großen Namen machen, der dem Namen der Großen auf Erden gleich ist. Ich werde meinem Volk Israel einen Platz zuweisen und es einpflanzen, damit es an seinem Ort wohnen kann und sich nicht mehr ängstigen muss und schlechte Menschen es nicht mehr unterdrücken wie früher […].
David ist Knecht und Beamter Gottes zum Wohl des Volkes. Seine Ehre und die Hoffnung, die er bzw. seine Dynastie symbolisieren, speisen sich aus dem Handeln Gottes. Ein Erlöser und ein Heiland verweisen nicht auf sich selbst, sondern auf die Erlösung und das Heil – sie sind Werkzeuge.
Heil
Hinter den Verheißungen an David steht keine Ehre und es geht nicht um die Person, sondern es geht um die Heilsgeschichte. Gott wirkt durch David zum Wohl seines Volkes. Vor Gott als Hintergrund verblasst David. König David hat nur als Knecht und als Beamter eine Relevanz. Aus der Person alleine entsteht noch kein Heil. Damals wie heute geht es in der Politik nicht um Personen, sondern es geht um Inhalte.
Bildnachweis
Titelbild: Julian Assange (Wikileaks) mit Heiligenschein, Stencil in Leipzig Connewitz von Herder3. Lizenz: CC BY-SA 3.0.
Einzelnachweis
1. | ↑ | Siehe das Titelbild der Ausgabe des Spiegels vom 28.01.2017. |
2. | ↑ | “Er ist einfach unser Sankt Martin. Jetzt muss er uns nur noch zeigen, dass er den Mantel teilen kann”, zitiert aus „Martin Schulz hakt sie alle unter“, Lisa Caspari, Zeit Online, 20.02.2017 [Stand: 26. Mai 2017]. |
3. | ↑ | Siehe das Titelbild von „Die Zeit“ vom 11.05.2017. |
4. | ↑ | Martin Schäfer, der Sprecher Sigmar Gabriel geriet gar bereits über den Einzug Emmanuel Macrons in die Stichwahl ins Schwärmen: „Jetzt haben wir eine Situation, in der ein reformorientierter proeuropäischer Politiker am Firmament des politischen Himmels Frankreichs erschienen ist.” (zitiert aus „Deutsche Hoffnung auf französischen Stern – Macron ‚am Firmament‘“, Focus online, 24.04.2017 [Stand: 26. Mai 2017]). |
5. | ↑ | Zum Folgenden ausführlicher: T.M. Steiner, Salomo als Nachfolger Davids (BBB 181), Göttingen 2017, S. 81-91. |
6. | ↑ | vgl. 1 Samuel 18,28; 20,38. |