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Annus Liturgicus·conditio humana

Opfer! Klatschen! Beifall! Ein Essay über die Tatsächlichkeit des Todes und die Behauptung der Auferstehung


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Das Ziel ist erreicht, aber der Weg noch lange nicht zu Ende. Das menschliche Leben vollzieht sich in einer Art Karsamstagsexistenz – zwischen Furcht und Hoffnung, Karfreitag und Ostermorgen. Auch an den Kar- und Ostertagen 2016 ist das wieder zu beobachten. Die sogenannten sozialen Netzwerke, diese Spiegel der seelischen Abgründe der Gegenwart, führen das zutage. Wo am Karfreitag noch Bilder des Gekreuzigten gepostet und nur allzu oft ein Bezug zu den Terroranschlägen am 22. März 2016 in Brüssel hergestellt wurden, findet man nun Fotografien brennender Osterkerzen. Das „Je suis brusseles“ ist abgelöst worden durch das „Χριστός ἀνέστη“ (gesprochen: Christós anéste) – Christus ist auferstanden!

„Je suis irgendwas“

Die Reaktionen auf den Terroranschlag vom 22. März 2016 in Brüssel erscheinen mittlerweile eingeübt reflexhaft. Nach den Anschlägen auf die Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo am 7. Januar 2015 und den Terrorakten in Paris vom 13. November 2015 scheint sich ein Sprachcode entwickelt zu haben, der sich in den sozialen Netzwerken wie auf Knopfdruck verbreitet. Da tauchen die Landesfarben des betroffenen Landes als Zeichen einer behaupteten Solidarität auf, die sich dann aber doch allzu oft mit der Frage verbindet, wann es denn auch bei uns so weit sei. Die gleiche Solidarität wird auch in dem seit den Anschlägen auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“ bekannten Mem „Je suis …“ suggeriert. Tatsächlich aber erweisen sich diese Solidaritätsbekundungen oberflächlich, weil sie reflexhaft bewährte Muster kopieren. Sie sind nicht originell. Es ist bestenfalls eine Solidarität im Schrecken, die in den verschwommenen Bildern der Täter konkret wird: Es könnte bald auch hier passieren. Die Opfer aber bleiben irgendwie fern und irgendwie konturlos. Es ist eine Zahl, mehr nicht: 16 in der Zeit vom 7.-9. Januar 2015, 130 am 13. November 2015, 32 am 22. März 2016 und einer am Karfreitag 2016.

Das unerträgliche Gesicht des Gekreuzigten

Am 4. März 2016 wurde im Jemen ein Seniorenheim in Aden von sogenannten „Islamisten“ überfallen, das von Mutter-Teresa-Schwestern betrieben wurde. 16 Menschen wurden sofort getötet, darunter die Ordensschwestern und das christliches Pflegepersonal, dies die einheimischen Jemeniten in dem Heim betreuten1). In diesem Zusammenhang wurde der aus Indien stammende Pater Thomas Uzhunnalil, der sich während des Anschlages in der Kapelle des Heims befand, als Geisel genommen. Auf die hoffnungsvolle Nachricht, das Pater Thomas Uzhunnalil den Anschlag überlebt hatte, folgte der Schrecken, als die Dschihadisten ankündigten, das Pater Thomas Uzhunnalil am Karfreitag 2016 gekreuzigt werden solle. Der Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn berichtete nach Angabe des ORF in seiner Predigt in der Osternachtfeier 2016, dass die selbst ernannten Gotteskrieger am 25. März 2016 ihre Drohung wahr gemacht hatten und Pater Thomas Uzhunnalil den Kreuzestod gestorben ist2). Auch wenn kurz danach die Nachricht veröffentlicht wurde, dass das Schicksal von Pater Thomas Uzhunnalil weiter ungewiss ist3), wird das Karfreitagsgeschehen erschreckend real.

Es ist bemerkenswert, dass sowohl über den Anschlag vom 4. März 2016 und den Tod der 16 Christen in Aden hierzulande genauso wenig berichtet wurde, wie über das Schicksal von Pater Thomas Uzhunnalil. Das gilt auch für die Selbstmordanschläge in Beirut, Bagdad und anderswo im Nahen Osten4). Die Solidarität hat offenkundig kulturelle Außengrenzen. Und das Schicksal von Pater Thomas Uzhunnalil hat ein Gesicht. Der Kreuzestod hat plötzlich ein sehr reales Gesicht, kein künstlerisch gestaltetes, dem man sich in frommer Andacht hingeben kann, sondern ein konkretes. Die qualvolle Sinnlosigkeit des Kreuzestodes steht vor Augen. Und das Opfer hat einen Namen.

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Ästhetische Anästhetika

Der absurde Schrecken, den die Nachricht über den Kreuzestod Pater Thomas Uzhunnalils auslöst, ist – wie könnte es anders sein – auch in den sozialen Netzwerken greifbar. „RIP“ steht da – und: Er wird auferstehen! Das alles aus der wohligen Distanz der Sicherheit der heimischen Keyboards. Das kommt vordergründig als Glaubenszeugnis daher, erweist sich dann aber doch oft eher als spirituelles Sedativum. Der Schrecken bleibt fern, denn der Jemen ist weit weg. Und so lässt sich in der mit Weihrauch aus Aden geschwängerten österlichen Stimmung vollmundig rufen:

Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel? 1 Korinther 15,55

Das Kreuz ist sinnlos

Das homiletische Bullshitbingo5) weiß bereits, dass viele große Glaubenssätze längst als sinnentleerte Floskeln gebraucht werden: Ohne die Sätze „Christus ist auferstanden“, „Christus ist wahrhaft auferstanden“, „Jesus ist nicht tot. Jesus lebt.“, „Christus hat dem Tod die Macht genommen“ usw. kann man nicht Ostern feiern. Das Kreuz scheint in weite Ferne gerückt – ein ferner Schatten, dem man sich am Karfreitag erschaudernd hingab, dem nun aber mit Worship- und Halleluja-Gesängen der Garaus gemacht wird.

Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel? 1 Korinther 15,55

Schöner kann man die Niederlage und damit die Irrelevanz des Todes nicht konstatieren.

Tatsächlich aber macht die österliche Botschaft von der Auferstehung der Toten nur Sinn, wenn der Tod eine schreckliche Realität ist. Dieser Aspekt spielt im Umfeld des Pauluszitatees, das man eigentlich nicht ohne diesen Kontext betrachten darf (vgl. hierzu das ganze Kapitel 1 Korinther 15), eine wichtige Rolle. Dabei ist es für die christliche Botschaft alles andere als unerheblich, dass der Auferstandene den Tod am Kreuz gestorben ist, jenen Tod, der mit Verweis auf die Torah als Beweis der Gottverlassenheit galt:

Wenn jemand ein Verbrechen begangen hat, auf das die Todesstrafe steht, wenn er hingerichtet wird und du den Toten an einen Pfahl hängst, dann soll die Leiche nicht über Nacht am Pfahl hängen bleiben, sondern du sollst ihn noch am gleichen Tag begraben; denn ein Gehenkter ist ein von Gott Verfluchter. Deuteronomium 21,22-23

Dass jemand am Holz hängend stirb war in sich Beweis genug. Die Qual und Demütigung des Todes am Kreuz konnte man nie und nimmer mit Gott in Verbindung bringen – nicht annähernd. Genau das spiegeln auch die Evangelien wieder, wenn sie davon berichten, dass selbst die engsten Vertrauten Jesu bereits angesichts seines drohenden Kreuzestodes Reißaus nehmen und sogar jedwede Bekanntschaft mit ihm verleugnen. Der pure Karfreitag, das reine Kreuz, ist in sich völlig sinnlos. So stellt auch der Berliner Kirchenhistoriker Christoph Markschies auf die Frage fest, ob der Karfreitag auch ohne Ostern ein Wunder wäre:

„Eher nein, der Karfreitag hat dafür viel zu viele Elemente entsetzlicher Alltäglichkeit: Selbst die größten, schönsten und wichtigsten Dinge werden brutal zu Tode gebracht. Karfreitag hat nur Sinn, wenn der Tod nicht das letzte Wort behält.“6)

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Gekreuzigt! Gestorben! Begraben! - Das Grab war voll!

Der Skandal des vollen Grabes

Der Tod eines Menschen am Kreuz war zu Zeiten Jesu eine grausame Banalität. Nichts Besonderes wohnt dem Kreuzestod Jesu inne. Ein Mensch wurde brutal zu Tode gebracht. Mehr nicht. Erst von der Auferstehungserfahrung her erscheint alles in einem anderen Licht. Aber eben nicht sofort! Vor dem Glauben steht der Zweifel. Das leere Grab Jesu beweist nicht nur nicht seine Auferstehung7), wie der Zweifel der Jünger signalisiert. Auf die Nachricht der Maria von Magdala und der anderen Frauen reagieren sie geradezu mit Hohn:

Doch die Apostel hielten das alles für Geschwätz und glaubten ihnen nicht. Petrus aber stand auf und lief zum Grab. Er beugte sich vor, sah aber nur die Leinenbinden (dort liegen). Dann ging er nach Hause, voll Verwunderung über das, was geschehen war. Lukas 24,11-12

Die Leinenbinden zeigen an, dass das Grab mit einem Leichnam belegt war. Das Grab war einmal voll. Der tote Jesus hatte in ihm gelegen.

Sinn im Sinnlosen

Tatsächlich stellt der Glaube an einen vom Kreuzestod Auferstandenen in mehrfacher Hinsicht eine Herausforderung an die Vernunft dar. Zum einen widerspricht er der allgemein-menschlichen Erfahrung der Unumkehrbarkeit des Todes: Tot ist Tot! Zum anderen impliziert er ein inneres Paradox: Wenn die Auferstehung wirklich geschehen ist, dann steht sie im Widerspruch zum Kreuzestod; dieser war doch Ausweis der Gottverlassenheit, die Auferstehung hingegen kann nur auf ein schöpferisches Wirken Gottes selbst zurückgeführt werden8).

Beide Aspekte stellen in gewisser Weise den Wurzelgrund der christlichen Theologie dar. Das leidenschaftliche Ringen um die Suche nach Antworten beginnt schon im Neuen Testament. Der Grund ist die Sinnlosigkeit des Kreuzes:

Denn das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, Torheit; uns aber, die gerettet werden, ist es Gottes Kraft. Es heißt nämlich in der Schrift: Ich lasse die Weisheit der Weisen vergehen und die Klugheit der Klugen verschwinden. Wo ist ein Weiser? Wo ein Schriftgelehrter? Wo ein Wortführer in dieser Welt? Hat Gott nicht die Weisheit der Welt als Torheit entlarvt Denn da die Welt angesichts der Weisheit Gottes auf dem Weg ihrer Weisheit Gott nicht erkannte, beschloss Gott, alle, die glauben, durch die Torheit der Verkündigung zu retten. Die Juden fordern Zeichen, die Griechen suchen Weisheit Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit. 1 Korinther 1,18-24

Paulus konstatiert also unumwunden die Sinnlosigkeit des Kreuzes. Es ist schlichtweg aus damaliger Sicht blasphemisch und lächerlich an einen Gottgesandten zu glauben, der am Kreuz gestorben sein soll. Bis heute lehnen deshalb die Muslime nicht ohne Grund einen Kreuzestod Jesu ab, der von ihnen immerhin als Prophet verehrt wird. So heißt es im Koran:

„Und weil sie [die Leute des Buches, hier: die Juden] ihre Verpflichtung brachen und nicht an die Zeichen Gottes glaubten und unberechtigterweise die Propheten töteten und sagten: ‚Unser Her ist unbeschnitten’ – aber nein, Gott hat es ihnen (zur Strafe) für ihren Unglauben versiegelt, weshalb sie nur wenig glauben – und weil sie ungläubig waren und gegen Maria eine gewaltige Verleumdung vorbrachten und sagten: ‚Wir haben Christus Jesus, den Sohn der >Maria und Gesandten Gottes, getötet.’ – Aber sie haben ihn nicht getötet und nicht gekreuzigt. Vielmehr erschien ihnen ein anderer ähnlich, so dass sie ihn mit Jesus verwechselten und töteten.“ Koran Sure 4,155-1579)

Nach dem Koran ist also ein Doppelgänger Jesu am Kreuz gestorben. Das Ansehen Jesu bleibt damit von der Schmach des Kreuzes frei.
Das ist freilich nicht nur historisch durch nichts verifiziert; es ist auch für Christen unmöglich so zu denken. Kreuzestod und Auferstehung bilden nicht ohne Grund das Fundament des christlichen Glaubens schlechthin:

Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, ist auch Christus nicht auferweckt worden. Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos. Wir werden dann auch als falsche Zeugen Gottes entlarvt, weil wir im Widerspruch zu Gott das Zeugnis abgelegt haben: Er hat Christus auferweckt. Er hat ihn eben nicht auferweckt, wenn Tote nicht auferweckt werden. Denn wenn Tote nicht auferweckt werden, ist auch Christus nicht auferweckt worden. Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos und ihr seid immer noch in euren Sünden; und auch die in Christus Entschlafenen sind dann verloren. 1 Korinther 15,13-18

Für Paulus, der vor seiner Bekehrung im Glauben an den Gekreuzigten einen todeswürdigen Akt der Blasphemie sah und der in seiner Bekehrung den tieferen Sinn der Auferstehung des Gekreuzigten mindestens erahnt haben muss, steht fest: Erst die Auferstehung des Gekreuzigten lässt den Erlösungswillen Gottes erkennen. Mehrfach kommt er in seinen Briefen darauf zu sprechen – so in Römer 8,3-4 und Galater 3,13. Im 2. Korintherbrief führt er aus:

Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden. 2 Korinther 5,21

Totalidentifikation

Mit diesem Satz bringt Paulus seine Verkündigung auf den Punkt. Der, der keine Sünde kannte, ist Jesus, der Christus. Die Sünde ist keine Tat, sondern ein Zustand, nämlich der Zustand des Von-Gott-Getrennt-Seins. Als Christus, als Gesandter Gottes, mehr noch: als Gottes Sohn kann Jesus keine Sünde kennen, weil Gott in ihm ist.

Das Zur-Sünde-machen rekurriert genau deshalb auf den Kreuzestod, der ja mit Verweis auf Deuteronomium 21,23 als Ausweis der Gottverlassenheit verstanden wurde. Gottverlassenheit – das ist von Gott getrennt sein. Von Gott getrennt sein – das ist Ausweis der Sünde.

Mit dem „damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden“ wird ein bemerkenswerter Perspektivwechsel vollzogen. Der Blick geht von Jesus Christus auf uns als Adressaten einer Gerechtwerdung. Der Perspektivwechsel macht an dieser Stelle nur Sinn, wenn er mit dem vorhergehenden Satzteil in Verbindung steht. Das griechische Wörtchen ἵνα (gesprochen: hína – damit) zeigt das an. Das Wörtchen „damit“ ist eine konsekutive Konjunktion, das heißt, es zeigt eine zwingende Folge an. Das Schicksal Jesu hat Folgen für uns als Adressaten. Dabei ist das Schicksal Jesu kein Zufall. Es ist das Wirken Gottes. Er ist es, der Jesus für uns zur Sünde gemacht hat.

Kreuzestod und Auferstehung folgen also einer zwingenden göttlichen Logik, die man in moderner Sprache vielleicht so ausdrücken könnte: In Jesus identifiziert sich Gott selbst mit dem menschlichen Schicksal. Die Identifikation ist total – so total, dass Jesus nicht nur das Todesschicksal der Menschen teilen muss, sondern den schlimmsten aller Tode stirbt, den Sündertod am Kreuz. Auch mit den so Sterbenden – sei es, dass sie ihn verdient haben, sei es, dass sie ihn nicht verdient haben – identifiziert er sich. Wenn er sich so identifiziert, dann gilt das nun umgekehrt auch für die Auferstehung. Jesu Schicksal zeigt an, dass der Tod nicht nur nicht das letzte Wort hat. Auch die Sünde als Zustand der Gottverlassenheit wird in ihm selbst ad absurdum geführt. Nichts und niemand ist von Gott verlassen. So gesehen gibt es keine Sünde mehr, wie etwa das Schreiben an die Hebräer konstatiert:

Denn durch ein einziges Opfer hat er die, die geheiligt werden, für immer zur Vollendung geführt. Das bezeugt uns auch der Heilige Geist; denn zuerst sagt er: Das wird der Bund sein, den ich nach diesen Tagen mit ihnen schließe – spricht der Herr: Ich lege meine Gesetze in ihr Herz und schreibe sie in ihr Inneres; dann aber: An ihre Sünden und Übertretungen denke ich nicht mehr. Wo aber die Sünden vergeben sind, da gibt es kein Sündopfer mehr. Hebräer 10,14-1810)

Das Opfer

Da ist der Begriff, der im Deutschen so missverständlich ist – das Opfer (προσφορά, gesprochen: prosphorá). Προσφορά bedeutet eigentlich wörtlich: Das Dargebrachte. Die Darbringung einer Gabe stellt eine greifbare Beziehung zwischen Gott und Menschen dar. Die Darbringung ist keine freiwillige oder unfreiwillige Verzichtsleistung, wie sie im deutschen Wort „Opfer“ mitschwingt. Sie ist eine aktive Beziehungsbezeugung zwischen Mensch und Gott. Dabei geht der Impuls – und das ist eben der eigentliche Impetus der Aussage von 2 Korinther 5,21 – von Gott aus. Gerade deshalb braucht er auch nicht immer wieder wiederholt zu werden. Das wäre so – und darauf weist das Schreiben an die Hebräer 9,1-10 hin – wenn es sich um ein von Menschen intendiertes Geschehen handeln würde, das stetiger Erneuerung bedarf. Hier aber betont der Autor des Hebräerschreibens, dass es sich um ein einmaliges und endgültiges Handeln Gottes handelt (μιὰ προσφορά – gesprochen: mià prosphorá – eine (einzige) Darbringung).

Das ist der entscheidende Hinweis. Ein Opfer besteht nicht im Verlust. Ein Opfer besteht in der Hingabe und Darbringung, die die Beziehung zu Gott ermöglicht11). Von hierher ist die Rede vom Kreuzesopfer zu verstehen: Kreuzestod und Auferstehung zeigen an, dass die endgültige Beziehung der Menschen zu Gott unumkehrbar für jede und jeden ohne Vorbedingung möglich ist. Wer in diese Beziehung durch Nachfolge eintritt, wird des Heiles teilhaftig. Die Erlösung besteht in dieser Glaubensgewissheit des vom Kreuzestod Auferstandenen. Diese Glaubensgewissheit löst das Paradox von Kreuzestod und Auferstehung auf.

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Auferstehung! - Der Auferstandene sprengt alle Konventionen. Einem Urknall gleich wird die existentielle Begegnung mit dem Auferstandenen angesichts des Kreuzes zum paradoxen Impuls theologischer Reflexion.

Der Auferstehungslaube vor dem Gericht der Vernunft

Das alles aber macht nur Sinn, wenn sich die Auferstehung wirklich und tatsächlich ereignet hat. Das ist ja die zweite große Herausforderung des Glaubens. Tatsächlich sieht sich schon Paulus der Skepsis an der Auferstehung ausgeliefert, die ja so offenkundig jeder menschlichen Vernunft und Erfahrung widerspricht. Paulus nimmt die Bedenken ernst. Er führt einen nach damaligem Verständnis gerichtsfesten Beweis:

Ich erinnere euch, Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündet habe. Ihr habt es angenommen; es ist der Grund, auf dem ihr steht. Durch dieses Evangelium werdet ihr gerettet, wenn ihr an dem Wortlaut festhaltet, den ich euch verkündet habe. Oder habt ihr den Glauben vielleicht unüberlegt angenommen? Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas, dann den Zwölf. Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern zugleich; die meisten von ihnen sind noch am Leben, einige sind entschlafen. Danach erschien er dem Jakobus, dann allen Aposteln. Als Letztem von allen erschien er auch mir, dem Unerwarteten, der «Missgeburt». 1 Korinther 15,1-18

Zu Beginn des Abschnittes erinnert Paulus die Korinther daran, dass es Vernunftgründe waren, die sie vom Glauben überzeugt haben (vgl. 1 Korinther 15,1-2). Dann präsentiert er das urchristliche Glaubensbekenntnis an den vom Kreuzestod Auferstandenen (vgl. 1 Korinther 15,3b-4), das noch heute die Mitte des christliche Symbolons bildet. Dabei verweist er darauf, dass dieses Bekenntnis nicht von ihm stammt, sondern ihm schon überliefert wurde (vgl. 1 Korinther 15,3a). Es stammt also schon aus der Zeit vor seiner Bekehrung – also aus den allerfrühestens Anfängen des Glaubens. Es muss damit sehr kurz nach den historischen Ereignissen von Kreuzestod und Auferstehung Jesu Christi entstanden sein.
Soweit, so gut: Die Auferstehung bleibt eine Behauptung, die menschlicher Erfahrung widerspricht. Deshalb führt Paulus im Folgenden mehr als 513 Zeugen an – zweimal die zwölf Apostel, wobei er einmal Kephas (das ist der hebräische Name des Petrus) und einmal den Jakobus hervorhebt. Petrus und Jakobus gehörten zu den prominenten Vertretern des Führungskreises der Apostel12).
Freilich könnte ein Kreis von zwölf Männer sich verschwören. Das Zeugnis der Apostel ist einer skeptischen Gemeinde wie der der Korinther gegenüber nicht frei von diesem Verdacht. Daher verweist Paulus auf sage und schreibe mehr als 500 Männer, denen der Auferstandene zugleich erschienen sei. Über 500 Männer können sich nicht mehr verschwören. Die Gefahr von Dissidenten ist bei einer so großen Gruppe immer gegeben. Zudem betont Paulus, dass die meisten noch am Leben seien und damit selbst befragt werden könnten. Es ist durchaus denkbar, dass die Korinther, die den Paulus selbst immer wieder in Frage stellten – darauf weist eine Reihe von Stellen in den beiden kanonischen Korintherbriefen hin – davon Gebrauch machten. Ihre Skepsis ihrem Gemeindegründer gegenüber, der sich selbst als einer der 513. Zeugen des Auferstandenen aufführt, dürfte sie dazu veranlasst haben.
Es ist das Zeugnis dieser mehr als 500 Namenlosen, die im 1. Korintherbrief die Glaubwürdigkeit der Auferstehung herstellt. Die korinthische Skepsis lässt dieses Zeugnis bis heute glaubwürdig erscheinen, denn die Korinther dürften stellvertretend für alle Skeptiker die Probe aufs Exempel gemacht haben.

Der Stachel des Todes bleibt!

Der Glaube an den vom Kreuzestod Auferstandenen bleibt eine Herausforderung an die Vernunft. Jeder Anschlag, jeder Getötete, jede erniedrigende Demütigung eines Menschen stellt jedwede Hoffnung neu in Frage. Der Stachel des Todes bleibt. Es ist die Realität des Todes, die den Menschen erlösungsbedürftig macht. Die Nichtachtung des Lebens, die dem Selbstmordattentäter ebenso zu eigen ist wie den Schlächtern von Aden, ist im Tiefsten nihilistisch. Da ist kein Respekt, da ist kein Gott! Da ist kein Sinn! Die Kultur des Todes, der dort gehuldigt wird, kann nur blühen, wenn es keine Hoffnung gibt. Den Christen ist diese Hoffnung in den Glauben geschrieben – eine Hoffnung wider alle Hoffnung, denn der Tod blüht auch ihnen.

Ob Pater Thomas Uzhunnalil am Kreuz noch glauben konnte oder wie Jesu mit einem Schrei der Gottverlassenheit gestorben ist – sein Tod bleibt so sinnlos wie der Kreuzestod Jesu. Christus aber ist auferstanden. Die Auferstehung aber ist nicht ohne den Tod zu haben.

Die Todesboten dieser Zeit werden nicht das letzte Wort haben. Wer Menschen zu Opfern macht, missachtet den göttlichen Darbringer. Wessen wollen sie sich vor Gott rühmen? Es ist der Gott, der sagt: Je suis hommes!

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Bildnachweis

Titelbild: Opfer! Klatschen! Beifall! (Work in progress)/Annette Marks – TalPassion – Foto: Christoph Schönbach – Urheberrechte bei der Künstlerin bzw. beim Fotografen, Nutzungsrechte: Katholische Citykirche Wuppertal

Bild 1: Opfer! Klatschen! Beifall! (Repro)/Annette Marks – TalPassion – Foto: Christoph Schönbach – Urheberrechte bei der Künstlerin bzw. beim Fotografen, Nutzungsrechte: Katholische Citykirche Wuppertal

Bild 2: Gekreuzigt!/Annette Marks – TalPassion – Foto: Christoph Schönbach – Urheberrechte bei der Künstlerin bzw. beim Fotografen, Nutzungsrechte: Katholische Citykirche Wuppertal

Bild 3: Auferstehung/Annette Marks – TalPassion – Foto: Christoph Schönbach – Urheberrechte bei der Künstlerin bzw. beim Fotografen, Nutzungsrechte: Katholische Citykirche Wuppertal

Video: Kathlische Citykirche Wuppertal, Sühnetheologie. Ein Gespräch zwischen Dr. Werner Kleine und Prof. Dr. Thomas Söding, Videopodcast Kath 2:30, Episode 9, Quelle: https://vimeo.com/9763244

Einzelnachweis   [ + ]

1. Vgl. hierzu Radio Vatikan, Jemen: Vier Mutter-Teresa-Schwestern ermordet (4.3.2016) – http://de.radiovaticana.va/news/2016/03/04/vier_ordensfrauen_bei_überfall_im_jemen_getötet/1213044 [Stand: 27. März 2016].
2. Vgl. hierzu Salzburger Nachrichten, Pater Thomas im Jemen gekreuzigt (27.3.2016) – http://www.salzburg.com/nachrichten/welt/chronik/sn/artikel/pater-thomas-im-jemen-gekreuzigt-189366/ [Stand: 27. März 2016].
3. Katholisch.de, Schicksal von verschlepptem Priester im Jemen weiter unklar (27.3.2016) – http://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/schicksal-von-verschlepptem-priester-im-jemen-weiter-unklar [Stand: 28. März 2016].
4. Während dieser Artikel verfasst wird, melden die Nachrichtenagenturen ein Attentat auf pakistantische Christen, bei dem 70 Menschen während eines Ostergebetes getötet wurden – Quelle: http://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/entsetzen-uber-anschlag-gegen-christen [Stand: 28. März 2016].
5. Vgl. hierzu den Tweet von Sandra Bils, Bullshitbingo für die Osterpredigt, – https://twitter.com/PastorSandy/status/584608358868606978 [Stand: 27. März 2016]
6. Christ und Welt, Ostern wirkt Wunder (Ausgabe 1472016) – http://www.christundwelt.de/detail/artikel/ostern-wirkt-wunder/ [Stand: 27. März 2016].
7. Tatsächlich kennt bereits das Neue Testament andere mögliche Ursachen für ein leeres Grab. So könnte der Leichnam Jesu einfach entfernt worden sein. Genau dieser Topos steht hinter der Anmerkung im Matthäus 28,11-15: „Noch während die Frauen unterwegs waren, kamen einige von den Wächtern in die Stadt und berichteten den Hohenpriestern alles, was geschehen war. Diese fassten gemeinsam mit den Ältesten den Beschluss, die Soldaten zu bestechen. Sie gaben ihnen viel Geld und sagten: Erzählt den Leuten: Seine Jünger sind bei Nacht gekommen und haben ihn gestohlen, während wir schliefen. Falls der Statthalter davon hört, werden wir ihn beschwichtigen und dafür sorgen, dass ihr nichts zu befürchten habt. Die Soldaten nahmen das Geld und machten alles so, wie man es ihnen gesagt hatte. So kommt es, dass dieses Gerücht bei den Juden bis heute verbreitet ist.“ Das leere Grab beweist also nur, dass es leer ist, mehr nicht. Faktisch wird das Grab tatsächlich leer gewesen sein, weil ein volles Grab als manifester Beweis wider die Auferstehungsbotschaft gestanden hätte. So gesehen ist das leere Grab eine zwingende Notwendigkeit, die mit der Auferstehungsbotschaft korreliert, nicht aber der zwingende Grund für den Auferstehungsglauben, der seine eigentliche Wurzel in der existentiellen Begegnung mit dem Auferstandenen hat.
8. Die Schöpfungsmetaphorik wird etwa von Paulus selbst angeführt, wenn er in 2 Korinther 5,17 aufführt: „Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung (καινὴ κτίσις – gesprochen: kainè ktísis): Das Alte (ἀρχαῖα – gesprochen: archaîa) ist vergangen, Neues (καινά – gesprochen: kainá) ist geworden.“
9. Übersetzung von Rudi Paret, 2014.
10. In den Versen 16 und 17 findet sich ein Zitatenkonvolut aus Jeremia 31,33-34.
11. Genau hieran scheitern etwa die Selbstmordattentäter. Ihr „Opfer“ birgt keine lebenseröffnende Hingabe. Ihr Tod ist und bleibt sinnlos und absurd.
12. Vgl. hierzu etwa Galater 2,9.
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